Ein großer Trainer geht in den Un-Ruhestand
  01.04.2016 •     Radsport


Über 26 Jahre vermittelte Hartmut Täumler als Landestrainer des württembergische Landesverband WRSV nicht nur Knowhow und die Kniffe des exzellenten Radrennsports, sondern blieb über all die Jahre hinweg vor allem auch eines: Respektperson für Fahrer und Eltern. Jetzt wurde der 65-Jährige beim WRSV in den Un-Ruhestand entlassen. Wer ihn aber als Landestrainer genoss und Talent, den nötigen Willen und Köpfchen hatte, der brachte es weit. Der als hart aber fair bekannte Trainer knetete die jungen Athleten und führte sie körperlich und taktisch an den Profirennsport heran.

Viele Württemberger schlüpften unter seiner Regie ins Nationaltrikot und schafften den Sprung in KT- oder Profiteams. Darunter der aktuelle Deutsche Straßenmeister (2015),Emanuel Buchmann (Bora Argon 18) aus Ravensburg, Dominik Nerz (Bora Argon 18) aus Wangen, der Herrenberger Sven Krauß (alle auch Tour de France-Teilnehmer) oder der Waiblinger Leif Lampater, der Olympia in Rio im Visier hat. Die Liste der Fahrer, die in große und größere Fußstapfen traten, ist lang - aktuell zählen dazu auch Mario Vogt und Jonas Koch. In Täumlers Landestrainerzeit fallen zudem Erfolge der Junioren bei Welt- und Europameisterschaften.

Mit Übersicht und Akribie brachte das Trainer-Urgestein württembergische Nachwuchstalente in die richtige Spur, sein Trainer-Handwerk lernte Hartmut Täumler bereits früh.

Der gebürtige Weißenfelser gewann als Jugendfahrer des Heimatvereins „Lok Weißenfels“ Nachwuchs-Rennen auf Leipziger Bezirksebene, sattelte aber bereits mit 17 Jahren um und wurde beim ehemaligen Tandem-Olympiasieger von 1936, Ernst Ihbe, zum jüngster Übungsleiter seiner Zeit. Von 1969 bis 1973 studierte er an der renommierten Deutschen Hochschule für Körperkultur „DHfK“ in Leipzig und schrieb eine – durch seinen Mentor Professor Dr.Dietmar Junker mit „sehr gut“ bewertete - Diplomarbeit im Nachwuchsleistungssport mit dem Thema: „Objektivierung und Planung der Intensitätssteigerung im Nachwuchsbereich mittels Herzfrequenzuntersuchungen an jugendlichen Radsportlern“. Als Assistenztrainer von Friedensfahrtsieger Klaus Ampler war er beim starken „SC DHfK Leipzig“ für das Training von Spitzenathleten und Weltklassefahrer zuständig. 1983 übernahm Täumler das Amt des Junioren-Nationaltrainers.

SVF
Hartmut Täumler in Aktion. Ab 1990 sichtete er unzählige junge Radsportler des Württembergischen Radsportverbandes.
[Foto: Hugger]


Mit dem Bundesligateam „Die Hofbräu Radler Stuttgart“ (2002-2004), anschließend „Team Aguti Stuttgart“(2005-2006), gefolgt von „Team Ista“ (2007-2008), dem Continental- und Farmteam des Profirennstalls Gerolsteiner bot er den jungen U23-Sportlern nach der U19-Klasse eine weitere Plattform mit dem Wunsch eine Tür Richtung Profirennsport aufzustoßen. In allen U23-Mannschaften standen überwiegend württembergische und badische Talente unter Vertrag. Nach dem Aus von Ista, das im Zuge der Auflösung des Team Gerolsteiner „unschuldig in den Abgrund gerissen wurde“ (Täumler), gab der Landestrainer nicht auf und bildete das „Perspektivteam Baden-Württemberg“ (2011). Ein Jahr später wurde quasi über Nacht das deutsch-aserbaidschanisches „Team Specialiced Concept Store“ gegründet – mit Zutun des ehemaligen Leiters des Olympiastützpunktes Stuttgart und Bahn-Olympiasieger von 1964, Karl Link, der die Kontakte mit dem Aserbaidschanischen Radsportverband geknüpft hatte. Elf U23-Rookies aus dem „Ländle“ und vier aus Aserbaidschan fuhren ein Jahr im jungen hoffnungsvollen Continental-Team und dies auch erfolgreich. Das Fernziel hieß Olympische Spiele in Rio 2016. Doch Unwägbarkeiten mit dem aserbaidschanischen Partner ließen den enttäuschten Teamchef Täumler nach nur einer Saison die Reißleine ziehen. Die Mission war gescheitert.

In den letzten drei Jahren kümmerte Hartmut Täumler als dienstältester Landestrainer wieder ausschließlich um die jungen Verbandsfahrer und formte den einen oder anderen Jugendfahrer zu aktuellen BDR-Fahrer, die von Verbandstrainer Bodo Kriegs im U19-Kader weiter betreut und geführt werden.

„Hartmut Täumler hat beim Württembergischen Landesverband eine außerordentlich erfolgreiche Arbeit geleistet und im Laufe seiner langen Trainerzeit württembergische Radsporttalente zu überragenden Erfolge geführt. Viele schafften den Sprung ins Nationalteam und nahmen erfolgreich an Welt- und Europameisterschaften teil. Ein großer Trainer, dem ich im Namen des Verbandes und seiner Rennsportvereine Dankeschön sagen möchte und für seine weitere Zukunft im privaten und sportlichen Bereich alles Gute wünsche“, verabschiedete der Präsident des WRSV, Vierer-Olympiasieger von 1976 Hans Lutz, einen Mann, der auch mit Kritik nicht hinterm Berg hielt und sehr wohl seine Finger in offene Wunden steckte – ganz im Sinne des Radsport-Nachwuchses und seiner Förderung.

Auch Nachwuchsfahrer, Kollegen und Eltern werden Hartmut Täumler als Mensch, Charakter und Trainer im WRSV sehr vermissen und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft.

Mit 65 befindet er sich also im Verbands-Ruhestand, aber ohne wirklich Privatier zu sein: Der Radsportelite bleibt er erhalten. Beim nordbadischen Amateurteam „Team Basso Bikes“ (Nachfolger von MLP Team Bergstraße), mit dem er gerade zum Training auf Mallorca weilte, übernahm er die sportliche und trainingstechnische Leitung, so setzen auch weiterhin Fahrer auf sein Know How und die präzisen Trainingspläne.

Privat zieht es den Wahl-Fischinger nun zurück nach Berlin.

Von der „Angelrute“ über „hartnäckig, mitfühlend bis reizbar“: herzliche Wünsche und Gedanken ehemaliger Schützlinge

Fabio Nappa (RSV Öschelbronn, früher „Perspektivteam Baden -Württemberg“ und „Specialized Concept Store-Team“) aus Eutingen: „Wenn man Wille gezeigt hat, war es überhaupt kein Problem mit ihm zusammen zu arbeiten. Er hatte in den richtigen Momenten ein Späßchen gemacht, ist aber sobald es zählte immer wieder ernst zur Sache gegangen und hat dies auch auf seine Sportler übertragen, die es schließlich in Ergebnisse umsetzen konnten. Er hat teilweise schon eine große Disziplin gefordert, aber so sollte es ja auch bei einem richtigen Trainer sein.Wir Sportler sagten uns: Zu seinem Abschied müssen wir ihm eine Angel schenken. Denn wenn einer von uns nicht richtig trainiert hatte oder ohne Energie an eine Sache ging, hat er oft gesagt: Da könnt Ihr den Fischen beim Beißen zuschauen, da habt Ihr mehr gemacht!“

Christoph Meschenmoser (2001 Weltmeister Einverfolgung Junioren und Deutscher Juniorenmeister Einzelzeitfahren, 2005 Team Aguti, 2006-2007 Skill Shimano, 2008 Kapitän bei Team Ista): „Hartmut Täumler war als Trainer hart und fürsorglich zugleich. Diese Kombination hat viele von uns Nachwuchssportler so erfolgreich gemacht.“

Leif Lampater (mehrfacher Deutscher Meister (Einerverfolgung),Olympia-Vierter mit dem BDR- Vierer in Athen, neun Sechstagesiege, aktuell im BDR-Vierer): „Lieber Hartmut, ich möchte mich herzlich für die tatkräftige und uneingeschränkte Unterstützung bedanken. Ich weiß deinen jahrzehntelangen Einsatz und deine harte Arbeit zu schätzen! Ohne dich wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Alles Gute für deinen neuen Lebensabschnitt, vor allem Gesundheit und Freude! Herzliche Grüße und auf bald! Leif“

Text: uhu