BIG IN JAPAN | Teil 6
  02.08.2021


Mit großen Augen, Kamera, Notizbuch und Stift sowie seinen unübersehbaren 2,08 Meter Körpergröße ist der Stuttgarter Sportjournalist Tom Bloch vor Ort in Tokio bei den Olympischen Spielen und berichtet exklusiv für uns in seiner Serie BIG IN JAPAN.

Nicht nur sauber, sondern rein

Der Inbegriff einer Mega-Metropole ist für mich New York City. Eine Stadt mit rund 19 Millionen Menschen im Einzugsgebiet. Die größte Stadt, die ich bislang bei vielen Besuchen erlebt habe. Doch Tokio toppt alles: 38 Millionen Menschen wohnen hier. Der größte Ballungsraum der Welt. Und keine einzige Kippe auf dem Gehweg. Keine weggeworfenen Masken, herumliegenden Desinfektionstücher, verlorene Hundekacke-Beutel, kein Kaugummi, der auf dem Asphalt klebt. Nichts, nada, zip. Tokio präsentiert sich picobello. Selbst fallende Laubblätter von den Bäumen werden sofort weggekehrt.

Und weiter: Keine Schlaglöcher auf den Straßen, auf denen stets gewaschene Fahrzeuge unterwegs sind, die keine Beulen, Dellen oder rostige Stellen aufweisen, und an Betonwänden vorbeifahren, die kein farbenfrohes Graffiti ziert. Auch schwappt in den riesigen Hafenanlagen, an denen sich viele Olympische Bauten reihen, nicht der sonst übliche Menschen-gemachte Müll, den das Meer weltweit so heran treibt.

Viele Menschen sitzen in ihrer Mittagspause in einem der vielen Parks unter schattenspendenden Bäumen und essen. Und nehmen ihren Müll mit nach Hause. Denn es gibt keine öffentlichen Mülleimer. Im ganzen Stadtgebiet nicht. Auch deshalb, weil 1995 bei einem terroristischen Anschlag Sarin-Gas in in Zeitungspapier verpackten Plastiktüten in einem Mülleimer der U-Bahn versteckt war.

Und dennoch liegt nirgends Müll herum. Das wird schon beim Aufwachsen geregelt: Schüler putzen ihr Klassenzimmer in Eigenregie. Es gilt grundsätzlich das Verursacher-Prinzip. In den vielen Lädchen (Konbinis) an den vielen Ecken der Mega-City gibt es die entsprechenden Behälter, in denen der Müll bereits getrennt wird. Die Läden sind verpflichtet, den Verpackungsmüll anzunehmen. Bei den vielen Getränkeautomaten, die überall in der Stadt verteilt sind, stehen daneben die Behälter für Dosen oder PET-Flaschen.

Dazu kommt, dass sich Japaner einfach an Regeln halten.

Paradox: Gleichzeitig habe ich noch nie so viel Plastikmüll im Alltag produziert. Alles ist in Plastik eingepackt. Ein einzelnes (übrigens perfekt weich gekochtes) Ei. Einzelne Bananen. Vor allem die vielen Fast-Food-Artikel sind hochentwickelt eingewickelt. Denn der Aufreißfaden funktioniert wirklich. Strenge Lebensmittelvorschriften und ein höherer Hygieneanspruch sind ein weiterer Grund für den Plastikwahn.

Aber: Auch Mülltrennung und Recycling funktioniert ziemlich gut. Nur 16 Prozent der Gesamtabfallmenge landen auf Mülldeponien, heißt es. Das Paradebeispiel ist Kamikatsu im Süden Japans – hier sortieren die Menschen ihren Abfall in 45 Kategorien. Und es funktioniert.

Der Stuttgarter an sich scheitert dagegen schon an der Dreifaltigkeit von Gelbem Sack, Grüngut-Tonne und Restmüll.

BIG IN JAPAN | Teil 6