Lurchi
Es ist ein trauriger Auftritt, den die MHP RIESEN Ludwigsburg gegen Alba Berlin an diesem Tag hinlegen. Schon nach den beiden ersten Vierteln ist klar, dass es keinen Heimsieg der Basketballer aus der Barockstadt geben wird. Trotzdem wird das Publikum bestens unterhalten. Dafür sorgt Lurchi, das Maskottchen der Ludwigsburger Korbjäger. Mal klaut er dem Schiedsrichter den Ball, den der Mann im schwarz-weiß gestreiften Trikot achtlos auf dem Spielfeld während einer Auszeit abgelegt hat.
Dann wieder klatscht er mit jedem Zuschauer in der ersten Sitzreihe ab und fordert die Fans mit einem Plakat auf: Make some noise! Auf gut Deutsch: Macht mehr Lärm! Und in der Halbzeit glänzt er mit kleinen akrobatischen Einlagen auf einer Weichenbodenmatte. Ein Maskottchen zu sein, das ist nicht nur wegen der Ganzkörperkleidung ein schweißtreibender Job.
Der Mann, der es in Ludwigsburg schafft, selbst bei einem schlechten Spiel gute Stimmung zu verbreiten, heißt Philipp Schuler. Genügend Erfahrung hat er ja. Seit 22 Jahren steckt er im Kostüm des Riesen-Salamanders und dürfte damit eines der Dienstältesten Maskottchen im Spitzensport sein. „Lurchi ist mir ins Blut übergegangen“, sagt der Lehrer aus Bad Cannstatt. Sport und Wirtschaft sind die Fächer, die er unterrichtet, und gelegentlich nimmt er auch seine Schüler mit in die Ludwigsburger MHPArena. Die sind beeindruckt, was ihr 46 Jahre alter Sportlehrer so alles drauf hat.
Sein sportlicher Höhepunkt war sicherlich, als ein Sponsor eine Prämie von 5.000 Euro auslobte. Wer von der Mittellinie aus direkt in den Korb traf, konnte das Geld für die beiden damaligen Ludwigsburger Fanklubs sichern. Schuler nahm Maß und traf gleich sieben Mal in einer Saison. „Das war gigantisch. Plötzlich war ich super relevant und bekannt.“ Einmal gelang ihm das Kunststück sogar mit dem Rücken zum Korb und aus dem Kniestand heraus. Die Szene war so gut, dass sie von einem Sportsender im Fernsehen gezeigt wurde.
Doch sein schönster Moment im Lurchikostüm war privat. Er rief seine Frau Evrim im Februar 2014 beim Spiel gegen Medi Mayreuth aufs Spielfeld und nahm den Kopf des Kostüms ab. Mit dem Mikrofon und einer Rose in der Hand ging er vor 4.500 Zuschauern auf die Knie und bat Evrim, seine Frau zu werden. Es war das bisher einzige Mal, dass er den Fans sein wahres Gesicht zeigte.
Begonnen hatte alles mit einem Praktikum bei einer Werbeagentur im Jahr 2002. Dort schlug ihm ein Vereinsmitarbeiter vor, sich etwas zum Studium dazu zu verdienen. Der Lurchi Philipp war geboren. Dabei ist Schuler eigentlich Handballer und jagte früher für den tus Stuttgart und das Team Esslingen hinter dem Ball her. Doch inzwischen ist ein Leben ohne die Ludwigsburger Basketballer undenkbar. „Lurchi gehört bei uns als drittes Kind irgendwie schon zur Familie“, sagt der Vater eines Sohnes und einer Tochter. Deshalb hat er einen besonderen Plan. In ein paar Jahren, wenn er 50 wird, soll sein heute 12-jähriger Sohn Emil sein Erbe als Lurchi antreten. Denn wie hieß es schon im Schlussreim der legendären Lurchi-Hefte: „Lange schallt’s zum Abschied noch / Salamander lebe hoch!“ Es war wie ein Versprechen auf die Zukunft: Auch das nächste Abenteuer wird ein gutes Ende finden.
Mehr Infos: https://youtu.be/whFvsKa2LXY?si=ZkAte58bezbU9bGs