Turnen: 30 Jahre DTB-Pokal – mit ständigen Facelifts immer attraktiv
  09.11.2012


30 Jahre DTB-Pokal, das sind 30 Jahre großartige Turnkunst in Stuttgart. Egal ob Mannschaftswettbewerb, Mehrkampf oder nur Spezialisten an den einzelnen Geräten - immer wieder hat es der Veranstalter STB geschafft, das Reglement dem Zeitgeist an-zupassen. Nur so wurde der DTB-Pokal zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte. Und Stuttgart zum „Wimbledon des Turnens“. Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle war gerade ein paar Wochen alt, als die Turner im Oktober 1983 von Stuttgarts neuer Arena Besitz ergriffen. Wie so viele andere Sportarten wollte der Schwäbische Turnerbund (STB) mit dem DTB-Pokal die neue Bühne nutzen, um eine internationale Veranstaltung zu etablieren. Der Mannschaftswettkampf, der zuvor in Ingelheim und Wiesbaden in einfachen Turnhallen stattgefunden hat, wurde vom umtriebigen STB-Geschäftsführer Robert Baur und seinem Team völlig neu präsentiert. Die Medien überschlugen sich nach der gelungenen Premiere geradezu. „Der DTB-Pokal ist aus seinem Mauerblümchendasein herausgetreten und hat eine deutliche Auf-wertung erfahren“, schrieb der Berichterstatter der „Welt“. Und in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ stand: „Das Turnen hat in Stuttgart eine neue Dimension erreicht.“ Macher Baur war denn auch mit der Resonanz zufrieden, gemütlich zurücklehnen woll-te er sich trotzdem nicht. Schon fürs Jahr danach hatte er ein neues Wettkampfformat ausgeschrieben. Statt des Teamwettbewerbes mussten die Turner und Turnerinnen zuerst einen Mehrkampf absolvieren, um sich dann für die Gerätefinals zu qualifizieren. Was wiederum den besten Athleten gefiel. Für die jeweils Besten war der Start in Stutt-gart quasi eine Pflicht. Vom Japaner Koji Gushiken über Li Ning (China) bis Vitali Scherbo (Russland), von Maxi Gnauck (Chemnitz) über die Rumänin Daniela Silivas bis Svetlana Boginskaja (Russland) zieren Olympiasieger und Weltmeister die Siegerlis-te. 1987 lobte der rumänische Turnpräsident Adrian Goleac: „Mein Dank gilt dem Publikum, die Atmosphäre war hervorragend.“

Stillstand bedeutet Rückschritt – getreu diesem Motto formulierte Baur im Jahr 1992 die Idee eines „Grand Prix des Turnens“. Von 1994 an, so der Plan, sollte eine Veranstaltungsreihe mit den Stationen Budapest, Paris, Rom, Zürich und Stuttgart ausgetragen werden. Doch es blieb bei der Idee, die Zeit für so eine Serie war noch nicht reif. Aber der Boden für den Weltcup mit den vier Stationen Glasgow, Tokio, Stuttgart und einem wechselnden Ort in den USA, wie er seit 2010 existiert, wurde damit schon mal bereitet. Anfang der 1990er Jahre geriet der Mehr-kämpfer ein wenig ins Hintertreffen, die Turner, und auch das Publikum, begeisterten sich mehr für die atemraubenden Vorträge der Spezialisten an den einzelnen Geräten. Entsprechend wurde das Format 1993 geändert. Die drei weltbesten Turner einer Rangliste waren gesetzt, fünf weiter mussten sich fürs Finale qualifizieren. Und die zwei besten Finalisten mussten im sogenannten Winners Final noch einmal gegeneinander antreten. Nicht bei allen stieß dies auf uneingeschränkte Begeisterung. „Wenn Du Weltmeister bist, musst Du auch zweimal beweisen können, dass Du der Stärkste bist“, sagte der Russe Sergej Charkow. Kritischer sah dies der Italiener Juri Chechi: „Es ist sicher gut für die Schau, aber für die Turner, zumindest an Boden und Ringen, zu anstrengend.“ Zufrieden zeigten sich die Beobachter. „Der alte Wertungs- und Wettkampfmodus ist nicht mehr attraktiv – weder für die Zuschauer noch für die Medien. Das hier war der erste Schritt etwas zu verändern, ein Schritt in die Zukunft. Ich gratuliere den Organisatoren zu dieser Idee“, lobte Octavian Belu, Rumäniens erfolgreicher Trainer. Auch DTB-Präsident Professor Jürgen Dieckert zeigte sich zufrieden, wie sich der DTB-Pokal entwickelt hat: „Dieser Stuttgarter Modus ist ein phantastischer Weg, das Turnen besser verkaufen zu können. Ich hoffe, dass der internationale Verband solch ein Experiment unterstützt.“

Optisch noch einmal attraktiver wurde das Winners Final von 1996 an. Die beiden Finalisten mussten sich nach ihren Übungen auf ein Podest stellen, das sich dann langsam in die Höhe erhob. Wessen Gabelstapler zuerst anhielt, war Zweiter. „Ein kribbeliges Gefühl“, urteilte Olympiasieger Alexej Nemow, „man ahnt zwar, dass man gewonnen hat, ist sich trotzdem nicht sicher, während es aufwärts geht.“ Nicht nur deshalb adelte Mehrkampf-Weltmeister Iwan Iwankow 1997 die Stuttgarter Macher. „Der DTB-Pokal in Stuttgart ist eines der Prestigeturniere der Welt – eine Art Wimbledon des Turnens“, sagte der Russe. Entsprechend groß war der Andrang. Mehr als die Veranstalter bewältigen konnten. „Wir mussten wohl oder übel einigen Interessenten absagen, teilweise standen bis zu 27 Leute an einem Gerät auf der Liste für die Qualifikation“, sagte Baur 1998 entschuldigend. Igor Korobtschinski, mehrfacher Weltmeister aus der Ukraine, klagte: „Das ist ja schwerer als bei einer Weltmeisterschaft.“ Beim Weltcup-Finale 2000 vergab Bruno Grandi, der Präsident des internationalen Turnerbundes FIG die damalige Höchstnote 10,0 für Stuttgart. Dank eines kleinen Kraftpaketes aus Wetzlar erreichte der DTB-Pokal im Jahr 2004 neue Bestmarken. Noch nie war das Interesse des Fernsehens so groß. Deutschland war im Fabian-Hambüchen-Fieber. ARD, ZDF und auch RTL übertrugen aus der Schleyerhalle, 24,82 Millionen Zuschauer sahen allein in Deutschland Turnen.

Und noch eine Bestmarke. Im Vorfeld der Weltmeisterschaften wollten so viele Turner und Turnerinnen wie noch nie die Halle kennenlernen. 48 Frauen und 92 Männer haben sich für den DTB-Pokal 2005 gemeldet. Die Halle drohte zu bersten. Zur 25. Austragung im Jahr 2007 gab’s keine Veränderungen im Format, dafür der Lokalität. Vier Wochen nach den Weltmeisterschaften versammelte sich die Turnfamilie statt in der Schleyerhalle in der neuen Porsche-Arena. Zudem schwang sich die EnBW nach den erfolgreichen Titelkämpfen auch beim DTB-Pokal zum Titelsponsoring auf. Zunächst war es nur ein Solitär. 2008 gab’s zum DTB-Pokal noch die Champions Trophy. Acht Mehrkämpfer gingen am Sonntag an die Geräte. Wie schon 25 Jahre davor. Im Jahr darauf wurde daraus eine Serie, mit Stationen in Frankfurt, Berlin, Hannover und Stuttgart. Maxim Dewiatkowski freute sich nicht nur über den Sieg in der Endabrechnung, sondern auch über den Mercedes SLK, die Prämie für den Gewinner. Nicht nur bei Dewiatkowski kam die neue Wettkampfform gut an, sondern auch bei der FIG. „Wir müssen das Turnen weltweit medial interessanter machen“, hatte Wolfgang Willam, Mitglied des FIG-Exekutiv-Kommitees, gefordert. Also wurde das Format 2011 zum Weltcup weiterentwickelt. Mit den vier Stationen in Tokio, Glasgow, Stuttgart und einem Ort in den USA. Die Meldungen für die Serie 2012 zeigen, dass die Idee angekommen ist. Beim 30. DTB-Pokal sind alle Medaillengewinner im Mehrkampf der olympischen Spiele von London: Kohei Uchimura, Marcel Nguyen und Danell Leyva.

Mehr Infos: www.dtbpokal.de