TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 8
  31.07.2024


Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.

Folge 8: Wundertüte Nordkorea

Als Sportfotograf habe ich schon viele Tischtennis-Partien gesehen und kenne zahlreiche Spielerinnen und Spieler aus der Vergangenheit. Viele Akteure, die in Paris starten, habe ich nicht zum ersten Mal vor der Linse und kann die Siegchancen bei Duellen oft gut einschätzen. Überraschungen erlebe jedoch auch ich – heute zum Beispiel in Form des nordkoreanischen Tischtennis-Teams, das in Paris ganz schön für Furore sorgt.

Im Mixed-Doppel schlägt Nordkorea nacheinander Japan, Schweden und Hong Kong, ehe im Finale China zu stark ist. Im Frauen-Einzel beendet Pyon Song Gyong in der dritten Runde vorzeitig die Olympia-Reise von Deutschlands Nina Mittelham. Die Erfolge kommen unerwartet,  nahm Nordkorea doch bei den letzten Spielen in Tokio pandemiebedingt nicht teil, wodurch die letzten olympischen Auftritte bereits acht Jahre zurückliegen.

Dass Tischtennis vor allem in Asien beliebt ist, ist bekannt. Unabhängig davon weiß man wenig darüber, wie die Sportart in Nordkorea praktiziert wird. Wie wird dort überhaupt trainiert? Isolation und mangelnde Möglichkeiten, sich in internationalen Duellen mit anderen zu messen, sind schließlich nicht die besten Voraussetzungen für Erfolg. Oder ist gerade das der Überraschungseffekt, der damit oft für Unberechenbarkeit sorgt? Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass die Nordkoreaner mithilfe einer Art Fernstudium die Spielweisen internationaler Topspieler hinter den Kulissen analysieren und imitieren – und zwar solange, bis jeder Aufschlag sitzt.

Deutlich sichtbar ist dagegen der Kulturschock, dem die Nordkoreaner in Paris ausgesetzt sind. Besonders dann, als sie in der Halle daran scheitern, das turnierübliche Selfie mit dem Smartphone aufzunehmen. Denn als ihnen ein Mobiltelefon in die Hand gedrückt wird mit der Aufforderung, ein Selbstbildnis zu erstellen, wirken sie irritiert. Offensichtlich haben sie so etwas noch nie gemacht.

Ihrem sportlichen Erfolg steht dies allerdings nicht im Weg. Dieser ist umso erstaunlicher, da Teilnahmen Nordkoreas an Turnieren des Tischtennis-Weltverbandes ITTF eher die Ausnahme sind. Und wenn sie mal irgendwo auftreten, dann sieht man sie danach in der Regel nicht wieder. Die Karrieredauer der meisten nordkoreanischen Tischtennisspieler ist übersichtlich.

Es bleibt ungewiss, welche Rolle das Land in Zukunft einnehmen möchte, und auch wie es künftig wahrgenommen wird. Schon bei der Eröffnungsfeier sorgte ein kleiner Fauxpas für angespannte Gemüter, als Südkorea als „Democratic People's Republic of Korea“ präsentiert wurde – dies ist die offizielle Bezeichnung Nordkoreas. Eine kleine Verwechslung, die für viel diplomatischen Wirbel gesorgt hat. Ein befreundeter Journalist fasst das Thema Nordkorea passend zusammen: „Ich weiß, dass ich darüber absolut nichts weiß!“

Benni Lau

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