TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 3
25.07.2024
Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.
Folge 3: Rollin’, rollin’, rollin’
16.000 Schritte.
Vom Hotel zum Main Press Center zur Beachvolleyball-Arena am Eiffelturm und wieder retour.
Und der Tag ist noch nicht zu Ende.
Da lob ich mir, wenn es rollt beim Laufen.
Aber halt, ich bin ja noch den Kurzbericht meiner gestrigen Anreise schuldig.
Kein Witz mit der Deutschen Bahn, hatte ich gesagt. War aber halt dann doch, wie alle sagen.
Der TGV war eben ein ICE. Und damit war’s klar.
Der rollte erst mal gar nicht.
Verließ Stuttgart mit Verspätung, weil man auf andere, verspätete Züge, warten musste.
In Vaihingen/Enz erster Halt auf freier Strecke, Gleisprobleme.
Umleitung. Karlsruhe-Straßburg-Gare de l’Est.
Wir rollen in Paris ein mit 37 Minuten Verspätung.
Wurscht, sag ich mir, hab eh keine dringenden Termine.
Laissez faire, sagt da wohl der Franzose.
Und schon rollt es weiter:
Am Olympia-Helpdesk im riesigen Bahnhofsgebäude frag ich nach der kürzesten Verbindung zum Main Press Center. Das ist neben den Wettkampfstätten so in etwa das wichtigste Gebäude bei Olympia.
Der freundliche Helfer im Paris2024-Shirt hat keine Ahnung, was ich meine.
Dann sage ich ihm, dass dies im Palais de Congrés angesiedelt sei.
Erhellte Miene. Schwuppdiwupp erhielt ich einen Metro-Freifahrschein.
Ich solle die 4, dann die 1 nehmen. Und zur Sicherheit das Ganze mit Google Maps überwachen.
Also los.
Immer mit Kamera-Rollkoffer (30 kg, zwei Rollen, eine davon schon am Stuttgarter Bahnsteig kaputt gegangen), Klamotten-Rollkoffer (20 kg, vier Rollen, eine irgendwie auch plötzlich den Gummi verloren) und Laptop-Tasche um den Hals (12 kg und ohne Rollen).
Kilometer für Kilometer.
Ta-tak, ta-tak, ta-tak.
Die kaputten Rollen funktionieren, machen aber Geräusche.
Und immer wieder hinstellen, zugreifen, tragen.
Metro bedeutet U-Bahn, bedeutet unterirdisch, bedeutet Treppen.
Treppen runter, durch lange Gänge zum Gleis.
Rollin’, rollin’, rollin’.
Dann wieder durch lange Gänge raus nach oben.
Endlich im MPC angekommen, da rollt alles prima.
Ruckzuck akkreditiert, und damit drin in der Olympischen Blase.
Für diese bekommet die Olympia-Journaille eine Gratis-Card für alle öffentlichen Verkehrsmittel.
Und flugs wieder runter zur U-Bahn. Ab ins Hotel.
Nur da, wo ich vorher rauskam, war jetzt zu.
Rien ne va plus.
Erst mal einen anderen Eingang gesucht.
Dann mit der Metro 1, umsteigen in den Vorortzug RER 4, raus nach Nanterre im Nordwesten der Stadt.
Letzte Etappe meiner Tour de France: Mit den Koffern durch die Straße 800 Meter bis zum Hotel gerollt.
Ta-tak, ta-tak, ta-tak.
Eingecheckt, Zimmer gecheckt: Kühlschrank, Mikrowelle. Super!
Also Google Maps befragt: Supermarkt Franprix in 650 Meter.
Ohne Koffer los.
Eingekauft.
Ein bisschen Obst, Mikrowellenessen, Bier, Rosé aus dem Dreiliter-Schlauch.
Schnellkasse, kurzes Laufband, alles drauf geladen.
Der Kassierer fragt, was danach klingt, ob die vielen Bierdosen, die nicht auf dem Laufband stehen, auch zu mir gehören.
Ich nutze mein Schul- und Gastrofranzösisch: „Oui, c’est mon bière. Pardon, je suis Allemand.“
Dann seh’ ich nur noch Zähne. Der Kassierer lacht herzlich.
Ich lad alles wieder zurück in den Einkaufskorb und frag ihn mutig, ob ich diesen ausleihen könne, um alles rüber in mein Hotel zu bringen.
Er lacht noch herzlicher und sagt so etwas wie: Selbstverständlich, ne pas de problème.
Laissez faire eben.
Ich geh raus und setzt den Einkaufskorb ab.
Und zieh’ ihn über das Kopfsteinpflaster die 650 Google-Maps-Meter zum Hotel. Essen auf Rädern.
Ta-tak, ta-tak, ta-tak.
Von den beiden Rollen am Einkaufskorb ist eine kaputt.
Tom Bloch