TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 13
05.08.2024
Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.
Folge 13: Here comes the train again ...
Die Métro. Wikipedia erklärt mir, dass das Wort Métro die Kurzform von Chemin de fer métropolitain ist und die erste Linie im Juli 1900 anlässlich der Weltausstellung eröffnet wurde. 124 Jahre später stellt das Netz mit knapp 250 Kilometern Gesamtlänge und 404 Haltepunkten in 320 Stationen eines der größten der Welt dar. Rein rechnerisch benutzen etwa 4,3 Millionen Menschen pro Tag die Pariser Métro. Und ich. Gemeinsam mit meinem Foto-Rollkoffer.
Gerade so. Denn in manchen Haltestellen sind die unterirdischen Gänge maximal 2,10 Meter hoch, wie sogar auf Schildern steht. Das heißt: Beachvolleyballer Nils Ehlers (2,11 m) oder Hallenvolleyballer Tobias Krick (2,13 m) passen nicht mehr rein. Aber ich, hehe.
Mein Hotel ist rund 500 Meter von der RER-Haltestelle Rueil-Malmaison entfernt. Und dann bin ich mitten drin im System aus Bahnsteigen, Treppen, Verbindungsgängen, größeren Einkaufszentren und Anschlussmöglichkeiten.
Zum Main Press Center, zum Volleyball im Süden im Porte des Versailles, zum Beachvolleyball unterm Eiffelturm, zum Deutschen Haus im Rugby-Stadion Stade Jean-Bouin – nie bin ich länger als eine Stunde unterwegs (aber auch nie kürzer): allein in der Métro, mit Millionen Pariserinnen und Pariser. Eine bunte vielfältige Welt. Das System erinnert mich an das Subway-System in Manhattan.
Nur, überall stehen Polizisten. Um die Venues, die Olympischen Veranstaltungsstätten, sind Absperrgitter, Parkverbote und großräumige Straßensperren errichtet. An jeder Ecke steht die Police Nationale in martialischem Outfit und mit Maschinenpistolen um den Hals.
Man könnte teilweise sogar noch näher ranfahren, darf man aber nicht. Abgesperrt, und ja, richtig, Polizei. Die Straßenbahn T2, die direkt zum Place de la Porte Versailles (Volleyball, Tischtennis, Handball - jetzt Gewichtheben) fährt, endet während Olympia zwei Stationen vorher. Ein simpler Holzpodest beendet die Fahrt. Aus Sicherheitsgründen. Den restlichen Weg läuft man dann halt, rund ein Kilometer weiter bis zum Beginn des weitläufigen Geländes.
Allerdings ist man trotzdem meist schneller unterwegs als mit dem angebotenen Olympischen Bus-Service der Veranstalter, den ich in Tokio im Jahr 2021 wegen Corona zwangsnutzen musste und seinerzeit hier vorgestellt und beschrieben habe.
Hach, und der Gesundheit tut es doch auch mal gut, täglich unterwegs zu sein bis die Socken qualmen. Mein Smartphone piepste heute morgen mit einer Nachricht: Du hast in den letzten 13 Tagen durchschnittlich eine längere Gesamtstrecke zurückgelegt.
Was für eine Untertreibung! „Eine längere“ – pffffff. Mehr als doppelt so viel, Smartass Smartphone, lauf ich durch die Pariser Ober- und Unterwelt. Bis zu 15 Kilometer täglich!
Und je nach Tageszeit fahren hunderte bis tausende Menschen mit. Ölsardinengleich pressen sich Einheimische, Olympia-Touristen, Journalisten und Volunteers an jeder Haltestelle rein oder wieder raus. Festhalten im Zug ist nicht notwendig. Das erledigt die Masse Mensch von alleine. Sobald man drinnen ist, steht man. Und schwitzt so vor sich hin. Nur selten gelingt es, sich einen Sitzplatz zu ergattern.
Außerdem habe ich meinen Rollkoffer bei mir. Kann aber gut sein, dass ich meine Ausrüstung, immerhin rund 25 Kilogramm, bald tragen muss. Die Rollen am Koffer sind für die Pariser Kilometer nicht gemacht und lösen sich immer mehr auf (den Beginn des Verfalls habe ich in der dritten Folge dieser Kolumne beschrieben).
Mittlerweile fühl ich mich schon wie ein echter Métro-Profi. Laufe zügig, weil ich weiß wohin.
Steige in den Zugabschnitt ein, von dem ich weiß, dass beim Aussteigen die Rolltreppe direkt gegenüber ist.
Und dann steige ich ganz vorne in die Métro ein, weil da erstens immer Platz ist, und zweitens beim Ausstieg die Treppe nach oben beginnt.
Nur heute früh, da lief es gar nicht rund.
Sehe auf der Anzeigetafel, dass der Zug in einer Minute am Bahnsteig einfährt, werde schneller, und halte meine Karte ans Drehkreuz. Nix piept. Ich bleibe hängen.
Gut, nehme ich halt das nächste daneben. Geht auch nicht.
Dann fluche ich, dann schaue ich die Karte an.
Dass mit dem Métro-Profi bedarf dann doch noch weiteres Training. Mit der Chipkarte vom Hotelzimmer geht halt eben auch nur die Hotelzimmertüre auf.
Tom Bloch
Alle Folgen der Serie: https://www.sportregion-stuttgart.de/tom-und-benni-in-paris



