SPORTPSYCHOLOGIE | Berit Kauffeldt
  02.08.2023


Im Sport setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass psycholgischen Aspekten eine wichtige Bedeutung zukommen sollte. Daher wirft die SportRegion im Jahr 2023 ein Schlaglicht auf dieses Gebiet. In der Rubrik SPORTPSYCHOLOGIE kommen Sportpsychologinnen und Sportpsycholgen zu Wort, die sich jeweils mit einem Teilaspekt auseinandersetzen. In der 11. Folge ist Berit Kauffeldt dran.


Thema: Wie man Achtsamkeit für eine bessere Leistung nutzen kann

Dass Achtsamkeit das Wohlbefinden und die Schlafqualität steigert und das Stresslevel senkt, ist zu großen Teilen im Allgemeinbewusstsein angekommen. Doch wie könnten diese Jahrtausende alten Ideen und Lehren auch für den Leistungssport nützlich sein? Zuallererst ist wichtig zu verstehe, was überhaupt unter Achtsamkeit verstanden wird. Im Grunde ist Achtsamkeit die willentliche, wertfreie Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment. So definierte es bereits Jon Kabbat-Zinn, der Begründer der MBSR-Methode (Mindfulness-Based-Stress-Reduction).

In dieser Definition stecken drei wichtige Dinge.

  1. Willentlich Aufmerksamkeit: Das bedeutet, dass du dir als Sportler*in aussuchst, worauf du deine Aufmerksamkeit legst. Unser Gehirn ist eine Denkmaschine und produziert ununterbrochen Gedanken. Und wenn diese Gedanken ohne mein Bewusstsein hin- und herspringen – wie der bekannte Monkey-Mind – lenken sie uns von dem ab, was wir gerade tun, egal ob das ein Torschuss, eine Ausholbewegung oder der Abwasch sind. Wenn wir durch Achtsamkeit also lernen können unsere Aufmerksamkeit willentlich zu steuern, dem Aufmerksamkeit zu schenken, was im Moment wichtig ist, sind wir einer guten Leistung schon ein Stückchen näher.
  2. Wertfreie Aufmerksamkeit: Oh, das ist ein großer Punkt. Denn wir bewerten ständig und immer alles. In den meisten Fällen ist es gar nicht so sehr der Fakt, der uns stresst, sondern die Bewertung, die wir ihm schenken. Ein Beispiel ist eine 400-m-Läuferin, die den Fakt, dass eine Mitstreiterin sie überholt als wettkampfentscheidend oder als Katastrophe bewertet. Die Sache an sich, ändert nichts an der Leistung der Athletin – die Bewertung allerdings hat die Kraft dazu. Ein anderes Beispiel ist eine junge Volleyballerin, die einen „Angstgegner“ hat, gegen den sie glaubt immer schlecht zu performen. Die letzten Ergebnisse der Spiele, haben objektiv betrachtet nichts mit der Leistung im kommenden Spiel zu tun. Durch die starke Bewertung stellen wir allerding Verbindungen her, die unsere Leistungen hemmen können. „Es ist, was ist.“ Ist häufiger leichter gesagt als getan.
  3. Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment: Das, was uns von der besten Leistung ablenkt, sind fast immer Gedanken an die Zukunft, wie die sich nähernde Niederlage oder der mögliche Sieg, oder an die Vergangenheit, wie die letzte verpatzte Situation oder die Kritik des/der Trainer*in. Achtsamkeitstraining kann uns beibringen die Aufmerksamkeit freundlich und bestimmt im jetzigen Moment zu behalten, dort wo wir unsere Leistung beeinflussen und Spiele entscheiden können.


„Ich muss mich gut fühlen, um eine gute Leistung zu bringen“ – ein Mythos, der sich hartnäckig hält…

…und an den viele Leistungssportler glauben – es macht ihnen Stress, dass sie sich nicht selbstbewusst oder stark fühlen. Doch ist das wahr? Ist es der „negative“ Gedanke, der mich schlechter performen lässt – oder vielmehr, dass mir die Fähigkeit mich zu konzertieren abhanden geht? Ich plädiere stark für zweiteres. Denn, wenn ich die Fähigkeit hätte mich zu fokussieren, egal welche Gedanken in meinem Kopf springen und welches Gefühl sich in meinem Bauch regt – es hätte keinen Einfluss auf meine Leistung.

Das Aufkommen von Gedanken und Gefühlen ist nicht in unserer Kontrolle und wird immer Teil unseres Lebens sein, solange wir leben. Doch wie wir auf aufkommende Gedanken und Gefühle reagieren, ist sehr wohl in unserer Kontrolle – und da sind wir wieder bei unserer Definition vom Anfang – willentlich, wertfrei und im gegenwärtigen Moment. Achtsamkeit kann uns lehren wohlwollender mit allem umzugehen, was da in uns und um uns ist. Denn schwierige Situationen und unangenehme Gefühle gehören eben zum (Sportler*innen)Leben dazu.

Werteorientiertes vs. Emotionsorientiertes Verhalten

Wenn wir unaufmerksam sind, passiert es schnell, dass wir so handeln, wie wir uns eben gerade fühlen, beispielsweise zurückgezogen, wenn wir ängstlich sind oder aufbrausend, wenn wir wütend sind. Doch in vielen Fällen sind unsere Emotionen nicht die besten Ratgeber, vor allem nicht, wenn es um gute Leistung geht. Aber woran sollen wir uns denn orientieren, wenn nicht an unseren Emotionen? Gute Frage! Und die Antwort lautet: an unseren Werten. An dem, was uns wichtig ist – sogar wichtiger als unsere momentane Stimmung. Die Fragen, die wir uns stellen müssen, sind also: Welche Art von Sportler*in möchte ich sein? Was ist für mich ein lebenswertes Leben?

Es konnte gezeigt werden, dass Sportler*innen, die ihre Werte kennen, ihre Ziele mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erreichen und am Ball bleiben, vor allem wenn es schwierig wird.

Nochmal zu unserer Beispielsituation vorhin, ich fühle mich ängstlich und meine Werte sind Teamplay und Weiterentwicklung. Ein emotionsorientiertes Verhalten wäre es mich zurückzuziehen, ein werteorientiertes Verhalten wäre es, die Herausforderung anzunehmen und zu schauen, wie ich meinem Team am besten helfen kann.

Bestleistung ohne, dass Bestleistung das Ziel war

Klingt erstmal paradox, oder? Aber wenn wir es schaffen, vom Gewinnen-müssen und Gut-Sein-Müssen loszulassen und völlig und ausschließlich bei dem zu sein, was wir gerade machen, fördert das die Leistung – eigentlich logisch. Wenn wir alles, was in unserer Kontrolle ist, in den Fokus rücken, maximieren wir das Ergebnis, ohne einen einzigen Gedanken an die Bestleistung. Das Ergebnis ist nämlich nicht in unserer Kontrolle, auch wenn dir das Angst macht.

Jetzt bleibt die Frage offen, wie du konkret Achtsamkeit in deinen sportlichen Alltag bringen kannst:

  1. Es gibt großartige Meditations-Apps, die super für den Start sind. 7mind ist eine davon und hat sogar Sport-Meditationen
  2. Es gibt ein Achtsamkeitsbasiertes Training in Buchform: Stressfrei durch Meditation von Maren Schneider. Nicht sportspezifisch, aber trotzdem sehr nützlich.
  3. Einfache Atemübungen vor oder nach dem Wettkampf. Tiefe Bauchatmung - Länger Ausatmen als Einatmen ist simpel und sehr effektiv.
  4. Nutze das STOP:
    S – Stop. innehalten, physisch oder mental.
    T – Take a deep breath. Tief durchatmen. Nimm den Atem wahr, komm vom Kopf zurück in den Körper.
    O – Observe. Beobachten, ohne zu bewerten. Was ist jetzt gerade wichtig?
    P – Proceed. Weitermachen – werteorientiert ;-).
  5. Lies Bücher zum Thema. The mindful athlete von George Mumford ist beispielsweise ein guter Anfang.
  6. Alles kann achtsam gemacht werden und somit dein Achtsamkeitstraining sein, vom Zähneputzen bis zum Weg zur Uni.
  7. Finde professionelle Hilfe.

Bleib hier, bleib jetzt.


Berit Kauffeldt ist Sportpsychologin am Olympiastützpunkt Stuttgart sowie am Olympiastützpunkt Schwerin. Sie ist für den Volleyball-Rekordmeister SSC Palmberg Schwerin tätig sowie viele Athletinnen weltweit. Sie begleitet Teamentwicklungs- und Veränderungsprozesse in Unternehmen, ist Dozentin an der HS Wismar und Yoga-Lehrerin. Berit Kauffeldt schaut auf eine lange Karriere als Leistungssportlerin zurück, spielte neun Jahre in der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft, für Clubs in fünf verschiedenen europäischen Ländern, wurde Junioren-Weltmeisterin und Vize-Europameisterin. [Fotos: privat & Pressefoto Baumann]

Mehr Infos: https://www.beritkauffeldt.com/

 

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