MEIN MOMENT | WM-Gold vom Dreimeterbrett
  29.11.2021


In der Serie MEIN MOMENT kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 48. Folge geht es um den Wasserspringer Jürgen Kleemann.

Jürgen Kleemanns Rückblick

Der Moment und der Höhepunkt meiner sportlichen Laufbahn als Wasserspringer war der Gewinn der Jugend-Weltmeisterschaft 1979 in Stuttgart vom Dreimeterbrett. Damals kamen über 700 Zuschauer ins Stuttgarter Inselbad, es war eine tolle Veranstaltung, und auch die Medien interessierten sich für die „Randsportart Kunst- und Turmspringen“. Vom damaligen Süddeutschen Rundfunk (SDR) berichtete Hagen von Ortloff, zahlreiche Zeitungsreporter schrieben über uns, auch die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten, die zu dieser Zeit ja noch nicht zusammengelegt waren. Aber auch an meine zahlreichen Siege bei Bezirks-, Baden-Württembergischen, Süddeutschen und Deutschen Meisterschaften erinnere ich mich gerne. Durch die Teilnahem an internationalen Springer-Meetings, Welt- und Europameisterschaften habe ich durch meinen Sport einiges von der Welt gesehen und zum Glück nicht nur die Schwimmbäder! Ein wenig Zeit für Land und Leute war auch immer drin, und einige Freundschaften sind entstanden, die zum Teil heute noch bestehen – diese Zeit war einfach wunderschön.

Als ich sieben Jahre alt war, nahm mich ein Nachbar mit zum Schwimmen, und kurze Zeit später trat ich in den Schwimmerbund Schwaben 1895 Stuttgart ein. Durch den damaligen 1. Vorsitzenden Paul Eckert bekam ich den Hinweis, dass es im Leo-Vetter-Bad in Stuttgart-Ost eine Kunstspringer-Schule gibt und ich mich da mal vorstellen sollte. Mein Vater ging mit mir hin, und so wurde ich dann von 1970 bis Ende 1977 vom Trainer Richard Jaiser vom TB Cannstatt trainiert. Unter ihm wurde ich 1976 Vize-Jugendeuropameister in Oslo. Nachdem ich 1977 nach der Teilnahme an den Jugend-Weltmeisterschaften in den USA (Houston/Texas) zurückkam, wurde Guido Zinsler mein neuer Trainer und sportlicher Betreuer. Vereins- und Trainingskollege sowie Freund war Rainer Sportschütz, der unter anderem 1978 hinter Dieter Dörr (SV Gelnhausen) Deutscher Vize-Meister vom Einmeterbrett wurde. Meine Eltern – insbesondere mein Vater – unterstützten mich immer tatkräftig, sei es als Fahrer zu Wettkämpfen und zum Training, teilweise nach München oder Karlsruhe zum damaligen Bundestrainer Horst Görlitz. Ebenso war er beim Training Kameramann für Videoaufnahmen zur besseren Trainingskontrolle. Das, was heutige Leistungssportler auf viele Schultern verteilen können, war damals eine „One-man-show“…

Die Grundschule besuchte ich in Stuttgart-Vaihingen im „legendären“ SPD-Waldheim, die erste und die zweite Klasse hatte einen Lehrer und die dritte und vierte Klasse ebenfalls. Danach wechselte ich ins Fanny-Leicht-Gymnasium, wo ich 1982 mein Abitur ablegte, zusammen mit Rüdiger Bauer, der 1981 mit dem VfB Friedrichshafen in die Volleyball-Bundesliga aufgestiegen ist und später Manager der MTV-Bundesliga-Volleyballerinnen wurde.

Nach dem Abi machte ich zuerst eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Firma Klöckner Stahlhandel in Stuttgart, nach deren Abschluss ich 1984 bei der Sportkompanie in Böblingen meinen Wehrdienst ableistete. Dort hielt der vielen bekannte „Hauptfeld Wetter“ alle Zügel in der Hand und hatte die verschiedensten Sportler in die Wildermuth-Kaserne geholt, um im Fußball, Handball und Volleyball Heeresmeisterschaften zu gewinnen. In dieser Zeit nahm ich auch an den Militär-Weltmeisterschaften in Warendorf teil – es war etwas schade, dass diese WM in Deutschland stattfand und nicht irgendwo weiter weg. Der Wettkampf selbst war leider nicht so erfolgreich, die Schwimmbadbedingungen eher mäßig als „weltmeisterschaftstauglich“, und ich landete leider nicht im Vorderfeld.

Zurück vom „Bund“ begann ich, an der Fachhochschule Pforzheim Werbewirtschaft zu studieren, wechselte dann an die Akademie für Kommunikation und Marketing nach Frankfurt/Main, um mich dort am Bundesstützpunkt auf die Weltmeisterschaft im Kunst- und Turmspringen in Madrid vorbereiten zu können. Leider hatte ich einen Trainingsunfall, bei dem mir das Trommelfell geplatzt ist – und somit auch die Teilnahme an der WM.

Als ich ein Praktikum bei IMG – International Management Group Marc McCormack – absolvierte, die das Tennisturnier Waterford Crystal Young Masters – unter anderem mit Boris Becker – in der Schleyer-Halle veranstaltete, bekam ich Kontakt zu Hans-Peter Bauer von der JBW-Werbeberatung in Stuttgart. Die Agentur vermarktete die damals noch junge Hanns-Martin-Schleyer-Halle, und bei JBW setzte ich mein Praktikum fort. Hans-Peter Bauer, der leider Anfang November verstorben ist, war mir ein harter und strenger Lehrherr, aber ich habe bei ihm unheimlich viel gelernt. Ich schaffte meist zwei Tage bei JBW, studierte anschließend zwei Tage in Frankfurt, und übers Wochenende wurden die Veranstaltungen in der Schleyer-Halle organisiert. JBW hat zu dieser Zeit immer einige sehr gute Sportler mit in die Agentur eingebunden, die sich auch mit den Sportveranstaltungen identifizieren konnten.

Als ich meinen Kommunikations- und Werbewirt abgeschlossen hatte, war die Zeit reif für einen Wechsel: Ich stieg ins Immobiliengeschäft ein und machte in Freiburg meinen Immobilienwirt (Dipl. VWA). Nach ein paar Jahren bei der Firma Ulrich Wohn- und Gewerbebau GmbH gründete ich mit einem Partner 1997 die ib ImmobilienBau GmbH, übernahm sie 2003 und führe sie mit einem neuen Partner bis heute erfolgreich. Da ich sehr gute Kontakte zu italienischen Fliesenwerken hatte, gründete ich 2001 die Firma „Zeit für Stein – die etwas andere Fliesenfachausstellung“. In Stuttgart-Kaltental biete ich seit 20 Jahren auf 400 Quadratmetern Wohn- und Architektur-Keramik, Fliesen, Feinsteinzeug, Mosaik und Natursteine an.

Dem Schwimmen und meinem Schwimmverein SB Schwaben Stuttgart 1895 bin ich immer noch sehr verbunden, ist es doch auch die Basis von allem. Dass man schwimmen kann, ist buchstäblich lebenswichtig, und ich bedauere die Kinder heute, die wegen der Corona-Pandemie jetzt zwei Jahre lang nicht schwimmen lernen konnten. Wegen Corona fiel im letzten Jahr auch das 125-jährige Jubiläum meines Schwimmerbunds Schwaben aus – sehr schade!

Mit ihm verbinde ich zahlreiche Erfolge und schöne Stunden, vorwiegend in meiner Jugend- und Juniorenzeit. Seit 1973, als ich elf Jahre alt war, gehörte ich zu den besten deutschen Kunst- und Turmspringern meiner Altersstufe, wurde 25 Mal Baden-Württembergischer Jugendmeister, 15 Mal Süddeutscher Jugend- und Juniorenmeister, holte elf Deutsche Titel in der Jugend und wurde dreimal Deutscher Vizemeister bei den Männern (1981 und 1983) vom Dreimeterbrett. Dazu der bereits erwähnte Jugend-Weltmeistertitel 1979 in Stuttgart. Zwei Jahre davor war ich bei der Jugend-WM in Texas zweimal Sechster geworden, 1976 in Oslo Vize-Jugendeuropameister. Weiter erste Plätze holte ich bei Internationalen Springer Meetings, unter anderem 1985 in Heilbronn.

Das Ende meiner Springerkarriere kam 1986, als ich bei der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Madrid schwer stürzte. Mein Lieblingssprung war der Auerbachsalto mit zweieinhalb Schrauben, den ich, um einen höheren Schwierigkeitsgrad zu erreichen, auf dreieinhalb Schrauben umstellen wollte. Bei einem Trainingssprung, der total verkorkst war, stürzte ich richtig ab. Dabei platzte mir unter anderem das Trommelfell, und nach der zu langen, gesundheitlich bedingten Trainingspause musste ich meine Karriere beenden.

Wir waren damals, verglichen mit heute, reine Amateure, die ärztliche Betreuung und begleitende Physio-Maßnahmen steckten noch in den Kinderschuhen, und ich bekam, glaube ich, gerade mal 350 D-Mark Sporthilfe. Kein Vergleich also mit heute, wo viele deutsche Spitzensportler bei der Bundeswehr, dem Zoll oder der Bundespolizei angestellt und abgesichert sind und auch durch Sponsoren gefördert werden und so ihren Sport optimal betreiben können. International gesehen dominieren derzeit klar die Chinesen, die einfach auf ein unerschöpfliches Potential am Nachwuchs zurückgreifen können und wahrscheinlich die absoluten Top-Trainingsbedingungen haben. Zuletzt bei Olympia hat man quasi keinen Sprung der chinesischen Springerinnen und Springern gesehen, der nicht absolute Weltspitze gewesen war!

Früher, als ich mit Schwimmen und Wasserspringen begann, lernte ich natürlich auch noch Ski laufen was ich heute mit meiner Frau und mit Freunden auch noch gerne betreibe, ebenso wie Fahrradfahren. Seit nunmehr zehn Jahren unternehmen wir, zusammen mit Freunden, jährlich eine mehrtägige Tour. Wir sind eine nette Clique von fünf bis acht Pärchen und haben dieses Jahr die Strecke von Bozen nach Chioggia gemeistert. Derzeit hoffen wir, dass wir nächstes Jahr unsere Jubiläumstour machen können – mal abwarten. Mittlerweile bin auch ich auf ein E-Bike umgestiegen, da der Anteil der E-Bikes in unserer Gruppe am größten ist. Mit meiner Familie wohne ich immer noch in Stuttgart-Dachswald, wo ich aufgewachsen bin. Meine Frau geht heute zwei bis drei Mal pro Woche zur Gymnastik. Meine Tochter betrieb Leichtathletik, der Sohn spielte Fußball und Tennis, und beide fahren Ski und boarden – man kann also sagen, wir sind durchaus eine sportliche Familie!


Jürgen Kleemann ist ein ehemaliger deutscher Wasserspringer, der 1979 Jugend-Weltmeister vom Dreimeterbrett wurde. Er wohnt mit seiner Familie in Stuttgart-Dachswald. Mit sieben Jahren trat er in den Schwimmerbund Schwaben 1895 Stuttgart ein und landete schnell beim Kunstspringen. Nach dem Abitur 1982 am Fanny-Leicht-Gymnasium und einer Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann leistete er bis 1985 in der Sportkompanie Böblingen seinen Wehrdienst ab. In dieser Zeit nahm er auch an den Militär-Weltmeisterschaften in Warendorf teil. Einem Studium an der Akademie für Kommunikation und Marketing in Frankfurt/Main und einem Praktikum bei der Vermarktungsagentur IMG folgte eine Beschäftigung in der JBW-Werbeberatung und später der Einstieg ins Immobiliengeschäft, 1997 Gründung der ib ImmobilienBau GmbH und 2001 Eröffnung des Fliesengeschäfts „Zeit für Stein“ in Stuttgart-Kaltental. Heute unternimmt Jürgen Kleemann gerne mehrtägige Radtouren mit seiner Frau und mit Freunden.

[Fotos: Pressefoto Baumann & Benjamin Lau (2) & IMAGO / Sven Simon & privat (2)]