MEIN MOMENT | Der Squash-Präsident
15.11.2021
In der Serie MEIN MOMENT kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 46. Folge geht es um Karl-Heinz Balzer, der zwölf Jahre lang Präsident des Deutschen Squash Verbandes war.
Karl-Heinz Balzers Rückblick
Das Rathaus war schon immer mein Ziel, wahrscheinlich, weil ich schon als Jugendlicher ehrenamtlich tätig war und oft ins Rathaus ging, um etwas anzuregen oder umzusetzen. Ich hatte also von jung auf einen positiven Kontakt zu den Stadtoberen und keine Scheu vor dem „Amt“. So schlug ich denn auch nach dem Abitur in Heidenheim die Laufbahn in den gehobenen Verwaltungsdienst ein und studierte bis zur Staatsprüfung 1979 in Heidenheim und in Stuttgart. Geboren und aufgewachsen bin ich in Bolheim, heute ein Ortsteil von Herbrechtingen (Kreis Heidenheim), damals aber noch eine selbständige Gemeinde.
Meine erste berufliche Station war das Rathaus von Bisingen/Hohenzollern, nach ein paar Jahren kam ich nach Schönaich. 1992 zog ich nach Remseck, und wurde 1992 dort Erster Beigeordneter, weil die Stadt damals noch keine Große Kreisstadt war. Heute hat Remseck etwa 27.000 Einwohner und ist eine Große Kreisstadt, deshalb heißt die Position nun Erster Bürgermeister – aber die Arbeit ist die Gleiche, egal, wie die Position heißt!
30 Jahre lang durfte ich die Entwicklung der Stadt Remseck mitbeeinflussen und mitprägen, und in dieser Zeit die kommunalpolitischen Geschicke mitentscheiden und mitbestimmen. Viermal hat mich der Gemeinderat zum Ersten Bürgermeister gewählt. Remseck war in diesen Jahren eine wachsende Stadt, daher lag mein besonderer Fokus im Bereich Kindergärten und Schulen. Außerdem war der öffentliche Nahverkehr mein zweites „Steckenpferd“, nachdem wir Ende der 1990er-Jahre die Stadtbahn bekommen hatten. Mit einem Fachbüro durfte ich außerdem das Stadtbuskonzept maßgeblich begleiten.
Im Laufe der Jahrzehnte, die ich in der Verwaltungsarbeit miterlebt habe, hat die Digitalisierung die Geschwindigkeit der Arbeit total verändert. Bekam man in den 1990er-Jahren einen Brief – ob etwas Positives oder Negatives –, erhielt der Bürger in der Regel einen Zwischenbescheid, wenn man nicht innerhalb von 14 Tagen dazu gekommen ist, ihm zu antworten. Heute wird am nächsten Tag schon nachgefragt, warum die E-Mail noch nicht beantwortet wird. Das ist also sicher nicht nur positiv, denn auch vor 30 Jahren hat man sich auf dem Rathaus bereits bürgerorientiert gegeben. Da waren aber die Schlagworte noch nicht so modern wie heute.
Ob dieses gestiegene Tempo zu einer dynamischeren Stadtentwicklung beiträgt, vermag ich so nicht zu sagen. Das Entscheidende in der Politik, auch bei kommunalpolitischen Entscheidungen, ist jedenfalls nicht unbedingt Tempo und Technik, sondern das Wichtigste sind die Menschen. Stadtentwicklung ist schließlich kein Thema, bei dem man heute entscheidet und morgen vollzieht, sondern da geht es um die Perspektive von mindestens einer Generation. Da hat man sich in Remseck schon frühzeitig auf den Weg gemacht, auch in Sachen Bürgerbeteiligung.
Meine Arbeit mit den und für die Bürgerinnen und Bürgern hat mir jedenfalls immer sehr viel Spaß gemacht und wenn ich helfen konnte, war das stets ein befriedigendes Gefühl. Jetzt, im Ruhestand, ist aber schon viel Verantwortung – und dadurch natürlich sehr viel Druck – von mir abgefallen. Zwar bin ich immer noch auf politischer Bühne im Einsatz, aber es ist selbstverständlich ein Unterschied, ob ich als Kreisvorsitzender der Freien Wähler Ludwigsburg (seit 15 Jahren), als Kreis- (seit 1994) oder Regionalrat (neun Jahre) meine Meinung kundtue und mich verantwortlich dort einbringe, oder ob ich als Bürgermeister für die Stadt, für zahlreiche Mitarbeiter oder andere Dinge unmittelbar Verantwortung trage. Ich hoffe, dass ich das auch wirklich ablegen kann, weil mich das über fast vier Jahrzehnte geprägt hat.
Das lasse ich jetzt mal einfach auf mich zukommen, außerdem bin ich ja auch noch sozial engagiert, etwa als Vorsitzender der Diakoniestation mit rund zwei Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Auch beim Förderverein der Diakoniestation bin ich Vorsitzender, und im kulturellen Bereich mache ich noch ein bisschen etwas – es gibt viele Dinge, die mich interessieren. Zudem gibt es ja auch noch den Sport. Als Kind war ich Turner, beim SV Bolheim, später Übungsleiter und Kinderturnwart. Auch in der evangelischen Kirche war ich aktiv, in der Jungschar, beispielweise. Und ich habe damals eine gemischte Jugendgruppe gegründet – was für die puritanische Ostalb damals ganz schön progressiv war!
Zum Squash bin ich gekommen, als ich während meines Studiums in Stuttgart mal bei den Turnern dort vorbeischaute. Aber die Uni-Turner waren fast schon professionell und viel stärker als ich. Gleichzeitig baute der Vater eines Freundes, ein Baustoffhändler, Mitte der Siebziger eine leere Lagerhalle in Herbrechtingen um und bestückte sie mit Squashcourts und Tennisplätzen. Das aus England stammende Rückschlagspiel – eines der wenigen, bei dem die Gegner das Spielfeld gemeinsam benutzen und auch die Seitenwände einbezogen werden – boomte in den Siebzigern in Deutschland. Die Anzahl der Squashanlagen („Squashcenter“), die weitgehend kommerziell betrieben wurden, nahm von ungefähr 20 im Jahr 1975 auf nahezu 1.000 im Jahr 1990 zu.
Bei dieser überaus dynamischen und intensiven Sportart muss der Ball nach jedem Schlag auf direktem oder indirektem Weg die Vorderwand berühren. Als indirekt gilt ein Weg über Seiten- und Rückwand. Danach darf der Ball nicht mehr als einmal auf dem Boden, jedoch beliebig oft auf die Rückwand oder Seitenwände auftreffen, ehe er vom Spielpartner zurückgeschlagen wird. Squashbälle erreichen in Spielen zwischen professionellen Spielern Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde. Ich spielte in dieser Zeit also zweimal in der Woche Squash in Stuttgart und am Wochenende in Herbrechtingen. Wir waren richtige Pioniere in diesem Sport und gehörten sogar der Oberliga an. In meiner Bisinger Zeit spielte ich später dann in Balingen.
Und wie es dann so geht, wenn man sich für etwas engagiert: Plötzlich hatte ich auch beim Squash ein „Ämtle“ – ich wurde Landesjugendwart von Baden-Württemberg, und das war ich zehn Jahre lang. In dieser Funktion baute ich für den Landesverband eine Struktur auf, kümmerte mich um die Finanzen und schrieb ein Leistungssportkonzept, um an Fördergelder des Landessportverbandes (LSV) und des Württembergischen Landessportbundes (WLSB) zu kommen. 1988 organisierten wir die Deutschen Meisterschaften im Sindelfinger Glaspalast – die erste DM in einem Glascourt. Das hat Maßstäbe gesetzt und „brachte“ mir das Amt des Bundesjugendwarts ein. 1990 fand in Paderborn die Weltmeisterschaft der Jungen statt.
Als 1991 der Präsident des Deutschen Squash Verbandes (DSQV) nicht mehr kandidierte, wurde ich Präsident. Für 1998 hatte Deutschland den Zuschlag für die Damen-Weltmeisterschaften bekommen, die nach Stuttgart vergeben wurden. Danach wollte ich an der DSQV-Spitze aufhören, hatte ich doch inzwischen eine Familie gegründet und nun weniger Zeit. Meine Frau ist Musiklehrerin, und ich wurde Vater eines Sohnes.
Die Stuttgarter WM war ein absolutes Highlight. Ich arbeitete sehr eng und vertrauensvoll mit dem damaligen Sport-Bürgermeister und späteren Oberbürgermeister Wolfgang Schuster sowie Sportamtsleiter Herbert Aupperle zusammen. Die Vorrundenspiele gingen im Squash-Palast Waiblingen über die Bühne, die entscheidenden Matches im „Squash Dome“ neben der Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Insgesamt nahmen 21 Nationen teil, Australien holte zum vierten Mal in Folge den WM-Titel, und die deutschen Damen belegten den fünften Platz. Das war ein unvergesslicher Moment! Bis 2003 war ich letztendlich DSQV-Präsident, aber Anfragen, das Amt des Europäischen Präsidenten zu übernehmen, lehnte ich ab, war ich doch schon im europäischen Jugendausschuss.
Seit dem Eintritt in den Ruhestand habe ich eigentlich mehr Zeit für den Sport und gehe regelmäßig ins Sportstudio oder Walken. Weil ich jedoch vor einigen Jahren Arthrose und in der Zwischenzeit zwei neue Hüftgelenke bekam, geht Joggen, Squash- oder Tennisspielen nicht mehr. Aber ich habe noch ein zweites Hobby, das mir sehr viel Freude bereitet: „Wein“. Grundsätzlich alles, aber mehr rot als weiß, aus aller Welt, aber meist aus Frankreich und Italien!
Karl-Heinz Balzer lebt seit 30 Jahren in Remseck und war dort 29 Jahre lang 1. Bürgermeister. Aufgewachsen in Bolheim – heute ein Ortsteil von Herbrechtingen –, absolvierte er nach dem Abitur in Heidenheim die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst und arbeitete nach der Staatsprüfung 1979 in den Rathäusern von Bisingen/Hohenzollern, Schönaich und ab 1992 von Remseck. 30 Jahre lang engagierte er sich im Squash, war Landesjugendwart, Bundesjugendwart und von 1991 bis 2003 Präsident des Deutschen Squash Verbandes. Er organisierte unter anderem die Jungen-WM 1990 in Paderborn und die Damen-Weltmeisterschaften 1998 in Stuttgart. Auch nach Eintritt in den Ruhestand Anfang 2021 ist der 67-Jährige ehrenamtlich aktiv, als Kreisvorsitzender der Freien Wähler Ludwigsburg, Kreisrat, Regionalrat oder Vorsitzender der Diakonie und deren Förderkreises. Seine Botschaft: „Einmal engagiert – immer engagiert!“
[Foto: Pressefoto Baumann]