MEIN MOMENT | 20 Jahre im Dienste des WPSV
  26.04.2021


In der Serie MEIN MOMENT kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 17. Folge geht es um Gabriele Knisel-Eberhard, die seit 2001 für den Württembergischen Pferdesportverband tätig ist.

Gabriele Knisel-Eberhards Rückblick

Unglaublich: Ab 1. Juni bin ich im Ruhestand! Darauf freue ich mich einerseits, andererseits bin ich etwas unsicher, was dann alles auf mich zukommt. Oder ob mir etwas fehlen wird …

Geboren wurde ich in Cannstatt, später wohnten wir in Ludwigsburg, wo meine Eltern einen Getränkehandel hatten, dort half ich auch immer wieder aus. Nach dem Abi studierte ich an der Universität Hohenheim Landwirtschaft und legte 1980 mein Diplom (Thema der Diplomarbeit: „Bewegungsablauf des Pferdes im Parcours“) bei Professor Dr. Klaus Loeffler ab, der leider 2010 im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Anschließend wollte ich mich der Pferdezucht widmen, doch eine Frau und diese ausgerechnet auch noch aus Süddeutschland – das ging beim deutschen Reiterverband in Warendorf gar nicht!

In den folgenden Jahren stand dann die Familie im Vordergrund, mein Mann Josef, meine Tochter Josepha (geboren 1984) und mein Sohn Maximilian (1987). Josepha reitet Dressur bis Klasse S, Maximilian hat früher voltigiert und arbeitet mittlerweile für die Hippodata GmbH mit Sitz in Salach. Die hat sich auf Computer- und EDV-Dienstleistungen im nationalen und internationalen Pferdesport spezialisiert und ist pro Jahr – wenn nicht gerade Corona alles lahmlegt – an rund 200 Events, darunter etwa 50 Fünf-Sterne-Turniere, in vier Kontinenten aktiv beteiligt.

Als die Kinder größer waren, belegte ich in Hohenheim ein Aufbaustudium „Journalistik“, hatte ich doch schon einige Jahre zuvor für das Reiterjournal über Voltigieren geschrieben und fotografiert, außerdem für den Voltigierzirkel oder die Voltigierchronik. So gerüstet, nahm ich 2001 das Angebot des Württembergischen Pferdesportverbands (WPSV) an, der eine Pressereferentin suchte. Das war nun so richtig mein Ding und machte mir riesigen Spaß. Der WPSV wurde vor 120 Jahren, am 11. März 1901, gegründet und ist für 17 Pferdesportkreise in 493 Vereinen mit insgesamt 55.835 Mitgliedern in Württemberg zuständig.

Fünf Jahre später wurde ich zur Geschäftsführerin berufen und arbeitete ab diesem Zeitpunkt auf der WPSV-Geschäftsstelle in Kornwestheim, im gleichen Haus wie die Landeskommission. Die ist ein Organ des Pferdesportverbandes Baden-Württemberg, dessen Tätigkeitsgebiet zum Beispiel die Einhaltung der Leistungsprüfungsordnung, Wettbewerbsordnung oder Ausbildungs- und Prüfungsordnung festlegt und überwacht. Seit 1983 wurde die bis dahin noch selbständige Landeskommission für Pferdeleistungsprüfungen in den Pferdesportverband integriert und ist in dessen Satzung verankert.

Mit meiner neuen Position als Geschäftsführerin hatte ich praktisch meine Berufung im Beruf gefunden und war 15 Jahre lang Tag für Tag, gewissermaßen rund um die Uhr, für die Sorgen, Nöte und Anliegen der Mitglieder ansprechbar. Grundsätzlich war diese Zeit sehr schön und erfüllend, und ich konnte viel bewegen. So wurde zum Beispiel das Lehrgangswesen unheimlich intensiviert, ich organisierte über 50 Lehrgänge und lernte sehr viele Menschen kennen. Wegen der Corona-Pandemie waren die letzten 14 Monaten aber nicht schön, man plante Lehrgänge, verlegte sie und sagte sie schließlich doch ab – da bringt man einfach nichts zustande! Der Turniersport liegt seit Monaten brach und macht erst jetzt wieder zaghafte Neustart-Versuche. Das alles geht nicht spurlos am Reitsport vorbei: Berufsreiter dürfen wieder reiten, die Amateure jedoch nicht, alle Planungen sind total schwierig – es herrscht einfach eine traurige Atmosphäre. Frust und Enttäuschungen überwiegen, die Rückschläge sind lästig und machen mürbe.

Umso schöner sind da die Erinnerungen an tolle Veranstaltungen und Erlebnisse. Dreimal in meiner Dienstzeit war der Pferdesport in das alle vier Jahre stattfindende Landwirtschaftliche Hauptfest (LWH) im Rahmen des Volksfestes auf dem Stuttgarter Wasen integriert. Mit rund 700 Ausstellern und Organisationen sowie einer Gesamtfläche von 130.000 Quadratmetern war es zuletzt 2018 Süddeutschlands größte Fachausstellung für Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und lockte rund 210.000 Besucher an. Am 26. Mai 1818 war die „Bekanntmachung eines jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltenden landwirthschaftlichen Festes“, bestehend aus Viehprämierung für die Tiergattungen Pferde, Rinder, Schafe und Schweine, verbunden damit ein Pferderennen, Viehmarkt und Volksfest“ durch König Wilhelm I. erfolgt – quasi die Geburtsstunde des LWH, das am 28. September 1818 dann erstmals gefeiert wurde.

Zweimal organisierten wir mit großer Teilnehmerresonanz zudem breitensportliche Turniere im alten Reitstadion auf dem Wasen, wo lange Jahre Meisterschaften stattfanden, aber mittlerweile ist der Boden so schlecht, dass dort keine höheren Prüfungen mehr ausgetragen werden können. Hier müsste die Stadt Stuttgart tätig werden und das Geläuf erneuern, auch der alte Richterturm genügt nicht mehr heutigen Ansprüchen, vor allem hinsichtlich der notwendigen EDV.

Beeindruckende Highlights waren die beiden Voltigier-Weltmeisterschaften im Land: 1992 fand die WM in Heilbronn statt, und Team Deutschland gewann durch Barbara Strobel , Christoph Lensing und die Gruppe aus Neuss-Grimlinghausen alle drei Titel und Goldmedaillen. 2000 wurde die WM in Mannheim ein dreitägiges Voltigierfest, das neue Maßstäbe setzte, jeweils 5.000 Zuschauer täglich feierten in der Großen Maimarkt-Halle die Weltmeisterin Nadia Zülow und den Gruppen-Weltmeister aus Ingelsberg. Das war übrigens das letzte Volti-Championat in Deutschland. Überaus gelungen war auch 2014 das Bundespferdefestival in Ellwangen auf der Ostalb – eine Breitensportveranstaltung, die viel Aufwand erforderte, aber im und für den Breitensport Maßstäbe gesetzt hat. Seit dem Bundespferdefestival in Ellwangen hat es keine derartige Veranstaltung in Deutschland mehr gegeben. Aber es war einfach eine tolle Sache! Denke ich an die genannten Events zurück, freue ich mich heute noch über die damalige Stimmung und Atmosphäre, und ich bin durchaus stolz, meinen Teil zum Gelingen beigetragen zu haben.

Und jetzt also bald der „Ruhestand“ – ob er tatsächlich soviel Ruhe bringt? Ich werde mich ganz bestimmt verstärkt meinen Hobbies Reiten, Garten und Radfahren widmen. Das Schaffen im Gärtle hat mich schon immer erfreut und mir viel Spaß gemacht, ebenso das Radeln. Wandern hingegen ist nicht so mein Ding, denn ich musste als Kind viel wandern – das fand ich aber nicht so toll! Meiner Nachfolgerin Anette Herbster, die in Pferdekreisen keine Unbekannte ist und in Nürtingen Landwirtschaft studiert hat, wünsche ich viel Freude und Erfolg bei ihrer Arbeit.

Ich glaube, ich freue mich jetzt doch auf den Ruhestand, denn ich werde den Kontakt zu den Pferden – und den Menschen drumherum – nicht verlieren. Und das Leben mit Familie und Freunden genießen, ohne Zeitdruck und Hektik.


Gabriele Knisel-Eberhard wohnt in Ludwigsburg-Pflugfelden, ist studierte Agrarwissenschaftlerin und geht nach 20-jähriger Tätigkeit beim Württembergischen Pferdesportverband (WPSV) zum 1. Juni 2021 in den Ruhestand. Im Alter von sechs Jahren begann sie mit dem Voltigieren und freizeitmäßig mit dem Reiten von Ponys und ritt ab zehn Jahren „alles, am liebsten aber Vielseitigkeit“. Hier war sie bis Klasse A aktiv, im Springen bis Zwei-Sterne-M, „Dressur ritt ich mit wenig Begeisterung“.

[Fotos: Pressefoto Baumann & privat]