Udo Ziegler: Der Generalsekretär der IWAS

Angefangen als Fechter habe ich im Alter von zehn Jahren, da schleppte mich ein Freund mal ins Training mit. Bis dahin war ich Schwimmer und auch im Kinderturnen aktiv. Im Fechten nahm ich an Württembergischen und Deutschen Meisterschaften teil, auch an Weltcup-Turnieren, und in meiner Studienzeit wurde ich mit dem Team der Universität Stuttgart sogar zweimal Deutscher Hochschulmeister. Später „rutschte“ ich irgendwie in die Funktionärslaufbahn hinein, mittlerweile bin ich seit 23 Jahren Leiter der Fechtabteilung bei meinem Heimatverein SV 1845 Esslingen (SV 1845), wo ich auch immer wieder als Trainer fungierte. Ich habe eine gute Gruppe um mich herum und denke in zwei, drei Jahren an eine Wachablösung. Außerdem bin ich Vizepräsident des Württembergischen Fechterbundes.

Zum Rollstuhlfechten kam ich 1998, weil wir mit der SV 1845 eine Kooperation mit der Rohräcker-Schule Esslingen aufnahmen und eine Schul-AG im „Rolli-Fechten“ anboten. Das war eine tolle Sache für alle Beteiligten, und von den Schülerinnen und Schülern kamen anschließend einige zu uns in den Verein. 2002 nahmen unsere Rollstuhlfechter dann erstmals an einer Deutschen Meisterschaft teil. Inzwischen hatte ich mich zum Kampfrichter für Rollstuhlfechten, später zum internationalen Kampfrichter ausbilden lassen. Als persönliches Highlight meiner Kampfrichterkarriere erhielt ich 2004 die Berufung, als einziger deutscher Fecht-Kampfrichter an den Paralympics in Athen teilzunehmen.

2012 in London war ich dann Chef-Kampfrichter, 2016 in Rio de Janeiro „Technical Delegate“. Der „TD“ trägt die technische Gesamtverantwortung über die Rollstuhlfechtwettkämpfe und soll sicherstellen, dass sie gemäß dem Regelwerk stattfinden und unterstützt die Organisatoren bei der Planung und Durchführung aller wettbewerbsrelevanten Maßnahmen. Für die Paralympics 2021 (24. August bis 5. September) in Tokio wurde mir diese Ehre erneut zuteil, deshalb fliege ich auch schon Anfang Juni für ein paar Tage zur Vorbereitung nach Tokio und bin bereits ab 16. Juli und während der Olympischen Spiele (23. Juli bis 8. August) in Japan vor Ort. Erst nach den Paralympics geht es wieder nach Hause. Ich rechne beim Rollstuhlfechten mit der Teilnahme von zirka 20 Nationen von etwa 50 in der „International Wheelchair and Amputee Sports Federation“ (IWAS) organisierten Ländern.

2009 wurde ich auf dem Kongress von IWAS ins Exekutivkomitee gewählt. Es umfasste damals neben dem Präsidenten noch sechs – heute sind es acht – weitere Mitglieder. 2013 wurde ich dann beim Kongress des Weltverbandes sogar zum Generalsekretär gewählt. Inzwischen wurde ich zweimal wiedergewählt, zuletzt ohne Gegenstimmen beim Online-Kongress im November 2020, so dass jetzt meine dritte Amtszeit – jeweils für vier Jahre – begonnen hat. Beeindruckend und inspirierend ist auch der amtierende Präsident Pal Szekeres aus Ungarn. Er erkämpfte als weltweit einziger Athlet sowohl bei Olympischen als auch später bei Paralympischen Spielen Medaillen.

Im aktuellen Exekutivkomitee findet sich hohe Fachkompetenz, deshalb freue ich mich auch auf die spannende, herausfordernde Arbeit mit unserem neuen und hoch motivierten Team. Als Hauptaufgaben in den nächsten vier Jahren sehe ich die Sicherstellung des zukünftigen Verbleibs von Rollstuhlfechten im paralympischen Programm, eine gute Zusammenarbeit mit dem Internationalen Fechtverband der Nicht-Behinderten (FIE), um gemeinsame Synergien zu nutzen und den Fechtsport zu stärken, sowie die Öffnung des Verbandes für weitere Behinderungsklassen.

Ich bin übrigens sehr sicher, dass die Olympischen Spiele und die Paralympics stattfinden, die Japaner werden alles Erdenkliche tun, dass alle Teilnehmer sicher und gesund bleiben. Für die Athleten ist es extrem wichtig, dass die Spiele stattfinden. Sie könnten nicht noch einmal verschoben werden und würden defacto ausfallen. Und nicht wenige Sportler – auch bei den Fußgängern – haben ihre Karriere ja jetzt schon um ein Jahr verlängert. Die Athleten reisen fünf Tage vor ihrem Wettkampf an und zwei Tage danach wieder zurück – ohne die ansonsten übliche Stimmung zu erleben. Das ist eigentlich sehr schade. Ausländische Zuschauer dürfen ja nicht in die Stadien und Wettkampfstätten, nur Japaner, aber einige internationale Volunteers aus Esslingen sind dabei, und sie werden unvergessliche Momente erleben, wie andere schon in Rio – ich möchte sie begeistern und hoffe, dass sie sich weiterhin in unserer Fechtabteilung bei der SV 1845 engagieren. In unserem Verein haben wir zwei internationale Nachwuchs-Asse, die ja, wer weiß, vielleicht einmal bei Paralympics starten könnten. Der 18-jährige Felix Schrader wurde 2019 U-17-Weltmeister, Nils Neumann (20) holte DM-Bronze bei der U 23. Beide nehmen an der Deutschen Meisterschaft Anfang Juni in München teil.

Der Unterschied zwischen dem olympischen Fechten und Rollstuhlfechten liegt darin, dass sich die Athleten nicht über die Fechtbahn („Planche“) bewegen, sondern dass ihr Rollstuhl in einem Gestell am Boden fixiert wird. Körpergröße und Armlänge der Fechter bestimmen den Abstand der Rollstühle, außerdem ist die Distanz noch je nach Waffenart variabel. Davon abgesehen, stimmt der Großteil der Regeln im Rollstuhlfechten mit denen der olympischen Variante überein. Beim Rollstuhlfechten werden die Aktiven grundsätzlich in die drei Fechtklassen A, B und C nach ihrem Einschränkungsgrad eingeteilt.

Meine ganze Familie ist mit dem Fechten eng verbunden – meine Ehefrau Ira ist zudem in der SV 1845 sehr engagiert. Dass meine beiden Söhne ebenfalls zum Fechten gekommen sind, wurde nicht von mir forciert, sie sind einfach der Mutter gefolgt … Der Ältere ist jetzt 27 Jahre alt und Arzt in Berlin, er war einige Zeit lang im Internat im Leistungszentrum Fechten in Heidenheim aktiv. Der Jüngere (25) studiert Informatik. Neben Sport und Fechten habe ich noch ein großes Hobby, meine beiden Oldtimer! Ich habe einen 52 Jahre alten Karmann-Ghia und ein 50 Jahre altes Käfer Cabrio, die mein ganzer Stolz sind und mit denen ich mich sehr gerne beschäftige oder Ausfahrten unternehme.


Udo Ziegler ist in Esslingen geboren und lebt dort auch mit seiner Familie. Er arbeitete bis vor kurzem als Entwicklungsingenieur im Daimler-Konzern und aktuell für die „International Wheelchair and Amputee Sports Federation“ (IWAS), dem Weltverband der Rollstuhlfechter, in der Nähe von London. Für die IWAS wurde er 2013 als Generalsekretär in das neunköpfige Exekutivkomitee gewählt und im November für eine dritte Amtszeit bestätigt. Udo Ziegler ist aktuell Vizepräsident des Württembergischen Fechterbundes und leitet seit 23 Jahren die Fechtabteilung der SV 1845 Esslingen.

[Fotos: privat]