Paul Zimmer: Mit den Tennis-Stars um die Welt

Zum Fotografieren kam ich eher durch Zufall: Schon als Schüler fuhr ich mit meinen Eltern oft nach Südtirol in den Urlaub zum Skifahren und lernte dabei Gustav Thöni und dessen Vater kennen. Als Gustav 1972 als Olympiasieger im Riesenslalom und mit Slalom-Silber aus Sapporo zurückkam, ist er am nächsten Tag mit meinem Bruder und mir Ski gefahren. Ich wurde sein größter Fan. Er nahm mich mit zu Weltcup-Skirennen. In dieser Zeit habe ich begonnen, Fotos zu machen. Kurz darauf sprach mich Dieter Baumann, der Juniorchef der bekannten Ludwigsburger Sportfoto-Agentur Baumann, bei einem Skirennen an, ob ich nicht Lust hätte, für sie zu fotografieren. Agentur-Chef Erich Baumann und die Kollegen brachten mir das nötige Rüstzeug bei, und ich lernte bei ihnen alles, was beim Fotografieren wichtig war. Über mehrere Jahre fotografierte ich während meiner Schulzeit an den Wochenenden für die „Baumänner“ – was für eine große Gelegenheit und Ehre! Fußball, aber auch alle sonstigen Sportarten, wurden mir so nahegebracht.

Die Fotografie wurde dann langsam, aber sicher zur großen Leidenschaft, und mein Schuldirektor Volker Merz, der im Februar im Alter von 98 Jahren verstorbene Pädagoge und Leiter der Merz-Schule, war mein erster Förderer. Er war ein feiner Mensch, stolz auf seine Schüler, und ich bin ihm heute noch dankbar für alles, was er mich gelehrt und mir beigebracht hat.

Rainer Hipp, damaliger Öffentlichkeitsreferent beim Württembergischen Landessportbund (WLSB) und in dieser Funktion unter anderem auch verantwortlich für das WLSB-Organ „Sport“, fragte mich dann einmal, ob ich ihm für das wöchentlich erscheinende Blatt nicht Titelbilder liefern könne. So ging ich Woche zu Woche bei sehr unterschiedlichen Sportveranstaltungen auf die Jagd für ein neues Titelmotiv. Dass in den Folgejahren dort immer wieder mal von mir geschossene Fotos erschienen, machte mich schon ein bisschen stolz. Rainer Hipp, der später 23 Jahre lang und bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 2011 als Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Baden-Württemberg tätig war, hat den Sport in Baden-Württemberg mitgeprägt und meine Fotografierleidenschaft ebenfalls stark gefördert und unterstützt. 

Einer meiner ersten Aufträge von Rainer Hipp waren Fotos der jungen Steffi Graf, die ich als sechsjährige, damals schon ehrgeizige Tennisspielerin kennengelernt hatte und die einmal in Waiblingen ein Jugendturnier spielte. Zu ihrer Mutter Heidi hatte ich in Steffis Jugendzeit einen sehr guten Kontakt bekommen, weil wir uns immer wieder auf Turnieren trafen, wohin sie als Betreuerin und Chauffeurin ihrer Tochter kam. Bald hatte ich einen engen Kontakt zur Familie und lernte zeitgleich auch Boris Becker kennen, der damals acht Jahre jung war. In New York bin ich einmal mit Boris in Manhattan laufen gegangen, als er dort ein Jugendturnier spielte, und so wurde unser Kontakt immer enger.

Im Laufe der Zeit entstand also eine sehr private Bekanntschaft zu den Familien Graf und Becker. In Kitzbühel habe ich 1988 Steffi das Skifahren beigebracht, nach einer nur einstündigen Einführung fuhr sie ganz alleine, in einem für einen Anfänger viel zu hohen Tempo. Ich hatte richtig Angst, dass sie sich verletzen und ich dafür verantwortlich gemacht würde. Nicht auszudenken! Aber ein Weltklasse-Sportler kann auch in anderen Sportarten ziemlich schnell glänzen. Beeindruckt hat mich bei Steffi besonders ihre Fitness. Ich bin ja früher selbst gerne gelaufen, auch Marathons, aber bei einer gemeinsamen Trainingseinheit schlug sie mich locker. Bei einem Training in Brühl unterbot sie „nebenher“ den damals bestehenden deutschen 800-Meter-Juniorenrekord – sie war eine echte Athletik-Göttin!

1979 begann ich, im italienischen Parma Medizin zu studieren. Die teuren Reisen zu den Grand-Slam-Turnieren finanzierte ich mit Nachtdiensten in der Uniklinik und Arbeiten in der studienfreien Zeit. 1983 erlitt ich bei einem Unfall einen Schädelbruch und wurde anschließend 13 Jahre lang von starken Kopfschmerzen geplagt. Nach Boris‘ Wimbledon-Sieg 1985 brach ich mein Studium ab und verlegte mich ganz aufs Fotografieren.

1985 war Boris Junioren-Weltmeister geworden, und die Bunte schickte mich nach Wimbledon. Was dort geschah, weiß heute noch fast jeder Tennis-Fan – Boris gewann als erster ungesetzter Spieler, als erster Deutscher und als jüngster Sieger die Wimbledon Championships mit 3:1 Sätzen gegen den Südafrikaner Kevin Curren. Mit diesem Erfolg war Becker auch der bis dahin jüngste Sieger bei einem Grand-Slam-Turnier. Der Sieg war sowohl für seine Karriere als auch für das deutsche Tennis, das in der folgenden Zeit zum populärsten Zuschauersport nach Fußball avancierte, bedeutend. Becker wurde am Jahresende von den deutschen Sportjournalisten zum „Sportler des Jahres“ gewählt – wie auch 1986, 1989 und 1990. Damals spielte Boris auch mehrmals in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle, im Daviscup oder beim Turnier von Ion Tiriac. Hans Peter Bauer und Hans-Peter Jakob, die Chefs der JBW-Werbeberatung, hielten dabei alle Fäden in der Hand und unterstützten mich auch sonst, wo immer sie konnten.

Für Steffi war 1987 das Jahr des endgültigen Durchbruchs. Es stand im Zeichen des Duells mit Martina Navratilova, und Graf verlor nur zwei von 75 Matches, gewann elf Turniere, siegte erstmals bei einem Grand Slam und übernahm die Führung der Weltrangliste. Mit einem Sieg über Chris Evert wurde sie am 17. August 1987 im Finale von Manhattan Beach die neue Nummer Eins der Tenniswelt, die Rangliste führte sie mit 377 Wochen am längsten an. Dank ihrer unglaublich hart geschlagenen Vorhand wurde Steffi von der Presse mit dem Spitznamen „Fräulein Vorhand“ versehen. Die deutschen Sportjournalisten ehrten sie 1986, 1987, 1988, 1989 und 1999 als „Sportlerin des Jahres“.

Ein Jahr später schaffte Steffi dann bei den Olympischen Spielen in Seoul den „Golden Slam“. Werner Köster hatte mich für die Sport-Bild beauftragt, bei diesem ersten olympischen Tennisturnier, bei dem die Profis zugelassen waren, zu fotografieren. Die damals 19-jährige Steffi ergatterte zuvor alle vier Grand-Slam-Titel des Jahres und gewann abschließend in Südkorea im Finale gegen die Argentinierin Gabriela Sabatini auch noch Olympiagold!

Als 1989 Steffi und Boris im Wimbledon siegreich waren, schickte das Magazin Stern eine Privatmaschine nach London, um mich mit meinen Finalbildern und den Fotos vom Wimbledon-Champions-Dinner rechtzeitig vor Druckbeginn nach Hamburg zu bringen. Fünf Jahre arbeitete ich für den Stern, fünf Jahre auch für die Bunte. Mein schlimmstes Erlebnis war am 30. April 1993 das Messer-Attentat auf Monica Seles bei einem Seitenwechsel im Match gegen die Bulgarin Magdalena Maleeva auf dem Center Court am Hamburger Rothenbaum. Zuerst dachte ich, das ist ein Autogrammjäger, doch dann hat der Verrückte, ein fanatischer Fan ihrer großen Rivalin Steffi Graf, plötzlich ein Messer gezogen und stach auf Monica ein! Das war ein schockierender Augenblick, und Steffi war sehr bedrückt.

Doch nicht nur beim Tennis fotografierte ich, von Michael Schumacher bekam ich den Auftrag, bei seiner Hochzeit mit Corinna Bilder zu machen. Die beiden hatten am 1. August 1995 standesamtlich geheiratet, vier Tage später, am 5. August, folgte die kirchliche Trauung in der Kapelle des Gästehauses der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Königswinter. In der Edelherberge logierten zum Beispiel schon Queen Elizabeth II., der Schah von Persien und das Ehepaar Gorbatschow. Geladen waren nur 75 Gäste und ich als sein persönlicher Hochzeits-Fotograf – das war für mich schon ein absoluter Hammer!


Paul Zimmer kam einst in Stuttgart zur Welt, als Sohn einer Französin und eines Rheinländers. Er begleitete hautnah die Karrieren von Steffi Graf und Boris Becker und gewann exklusive Einblicke von beiden auf und neben dem Platz. Als Tennisspezialist fotografierte er bislang bei 165 Grand-Slam-Turnieren – Rekord! Mit Frau, Tochter und Sohn wohnt der begeisterte Kunstliebhaber in Sillenbuch.

[Fotos: Pressefoto Baumann]