Katharina Menz: Edelmetall bei der Judo-EM

Der Gewinn der Bronzemedaille in meiner Gewichtsklasse bis 48 Kilogramm – dem Superleichtgewicht – bei den Judo-Europameisterschaften im November 2020 in Prag war für mich der bisher größte sportliche Erfolg meiner Karriere. Ich wusste, dass ich das Zeug dazu habe, aber nach zehn Monaten ohne Wettkämpfe konnte ich überhaupt nicht richtig einschätzen, wie es hier sein wird. Ich habe mich echt gut gefühlt, und ausdauermäßig hatte ich keine Probleme, es war eigentlich kein großer Unterschied zu sonst.

Wir wurden in Prag alle 48 Stunden getestet, und es gab lediglich drei positive Fälle, Zuschauer waren nicht erlaubt, nur die Mundschutz tragenden Kampfrichter und die emsigen Mattendesinfizierer wiesen auf die aktuellen Corona-Umstände hin. Für uns Judokas war es ein Wettkampf, wie es ihn noch nie gab: Tests vor der Abreise, die Anreise nur in kleinen Gruppen, ein Test direkt nach der Ankunft mit anschließender Quarantäne bis das Ergebnis vorlag – die ganze Atmosphäre war völlig und sehr ungewohnt. Weil aber der Grand Slam in Düsseldorf Ende Februar das letzte internationale Turnier war, trat bei der EM die gesamte Crème de la Crème an: 345 Judoka aus 40 Nationen. Auf dem Weg zur Medaille musste ich nach einem Sieg und einer Niederlage in den Poolkämpfen den Umweg über die Hoffnungsrunde nehmen. Es war zwar schade, dass ich im Viertelfinale auf die Weltranglisten-Fünfte Mélanie Clément aus Frankreich traf, der ich dann im Golden Score unterlag, aber ich habe den Kampf gleich abgehakt und gedacht: Ich will die Medaille und mich auf den nächsten Kampf fokussiert. In der Hoffnungsrunde buchte ich gegen die Spanierin Mireia Lapuerta Comas noch das Ticket für eines der beiden kleinen Finals und besiegte dort deren Landsfrau Laura Martinez Abelenda. Die vielen Golden Scores haben mich nicht gejuckt. Ich fand, dass ich nicht so explosiv, so schnell war wie sonst. Da muss ich noch dran arbeiten. Für die EM-Bronzemedaille hat mich der Württembergische Judoverband mit dem dritten Dan ausgezeichnet – darüber habe ich mich sehr gefreut.

Von 2014 bis 2019 habe ich bei den Deutschen Einzelmeisterschaften jeweils den Titel in der 48-kg-Klasse geholt, die beiden letzten Male in der Stuttgarter SCHARRena waren dabei praktisch Heimspiele. Bei Europa- und Weltmeisterschaften bin ich bisher aber immer leer ausgegangen, obwohl es eigentlich auch Wettkämpfe wie jedes internationale Turnier sonst mit den gleichen Leuten sind, aber die Bedeutung ist einfach größer. Die Zwangspause wegen der Corona-Pandemie habe ich genutzt, vor allem viel Kraft und Ausdauer trainiert, dadurch bin ich deutlich kräftiger geworden. Außerdem hat mir meine bessere Kondition in den beiden Kämpfen geholfen, die in die Verlängerung gegangen sind.

Das Ziel Olympia – jetzt bekanntlich 2021 – in Tokio treibt mich immer wieder an, deshalb hatte ich auch nie ein Problem, mich zu motivieren. Als ich im Februar vom Trainerausschuss des Deutschen Judo-Bunds für die Olympischen Spiele 2020 nominiert worden war, habe ich mich wahnsinnig gefreut. Die Trainer haben uns offiziell am Tag bevor wir zum Kondicamp gefahren sind Bescheid gegeben. Zwar hatte ich die Nominierung insgeheim erwartet, aber wenn man es dann schwarz auf weiß hat, ist es halt Realität. Auch mein Coach und TSG-Trainer Jens Holderle freute sich mit mir und meinte: „Das ist genial, dass es Katharina geschafft hat.“ Jens Holderle kennt mich seit vielen Jahren und betont immer wieder meinen Ehrgeiz, den er schon früh bei mir ausgemacht habe. „Beim Gewinn der Silbermedaille bei der Juniorenweltmeisterschaft 2009 in Paris hat sie demonstriert, dass sie mithalten kann. Und der fünfte Platz zuletzt beim Grand Slam in Düsseldorf hat bestätigt, dass sie zur Weltspitze in ihrer Gewichtsklasse zählt.“ Die Einschätzung eines so kompetenten Experten freut mich natürlich sehr.

In der Zeit vor der EM war es ein bisschen nervig, nicht zu wissen, wann die nächsten Wettkämpfe sein werden. Aber mein großer Traum von Olympischen Spielen in Japan, der Heimat des Judosports, lebt weiter. Und wenn man zu Olympia will, muss Judo an erster Stelle stehen – halbherzig erreicht man nichts. Der Gedanke an die Teilnahme an den Spielen hat mir auch sehr durch die lange Zeit ohne Wettkämpfe geholfen. Um in Tokio dabei zu sein, trainiere ich auch jeden Tag ein- bis zweimal, insgesamt zirka drei Stunden, am Olympia-Stützpunkt Sindelfingen, zwei- bis dreimal im Jahr auch bei meinem Heimverein TSG Backnang. Mit der TSG-Mannschaft konnten wir schon zweimal die Meisterschaft in der Bundesliga gewinnen, einmal, 2019, wurden wir Zweite. Sollte alles wie geplant verlaufen und ich in Tokio auf die Matte dürfen, dann wäre ich nach Michaela Semsch (geborene Baschin) die zweite Backnanger Judoka, die bei Olympischen Spielen auf die Matte gehen dürfte. Michaela war 2008 in Peking dabei.

Wenn mir neben Beruf, Training und Wettkämpfen noch Zeit bleibt, gehe ich sehr gerne Klettern, zum Beispiel in der Boulder-Halle in Vaihingen. Wandern und Skitouren sind weitere Hobbies von mir. Außerdem bastle ich gerne. Mein Moment im privaten Bereich ist der Tag, als ich Tante wurde. Meine kleine Nichte Mathilda, die Tochter meiner Schwester Janina, ist jetzt anderthalb Jahre alt und mit ihr habe ich immer sehr viel Spaß. Bei und mit ihr kann ich perfekt entspannen.


Katharina Menz wurde in Backnang geboren, startet für die dortige TSG und wohnt in Magstadt. Sie arbeitet bei Mercedes-Benz in Sindelfingen, wo sie ein Master Studium der Elektromobilität absolviert.

[Fotos: Pressefoto Baumann]