Dr. Christoph Wüterich: Der Hockey-Präsident

Die Hockeybegeisterung liegt schon seit mehreren Generationen in unserer Familie, mein Vater spielte zunächst in Leverkusen und kam 1955 zum Studium nach Tübingen. In dieser Zeit schloss er sich dem HTC Stuttgarter Kickers an, und so ist es kein Wunder, dass ich schon mit drei Jahren den Krummstab in die Hände nahm, auf dem HTC-Vereinsgelände an der „Hohen Eiche“ meine ersten Schussversuche unternahm und später alle Jugendmannschaften des Vereins durchlief.

Der HTC Stuttgarter Kickers hat fast 800 Mitglieder und ist damit einer der größten Hockey-Vereine in Baden-Württemberg, mit einer eigenen Tennis-Abteilung, Fitness und Golf. Gegründet 1913 als eine Abteilung der Stuttgarter Kickers, ist „der Club“, wie er intern genannt wird, ein traditionsreicher und familiärer Verein. 30 Jugendmannschaften, von den Minis bis hin zur weiblichen und männlichen Jugend sowie den Herren- und Damenteams, alle kämpfen um Punkte und Siege in den unterschiedlichsten Ligen. Die Tennisabteilung umfasst Jugend- und Erwachsenen-Mannschaften sowie eine eigenständige Tennisschule.

Seit 1957 ist der HTC Stuttgarter Kickers ein eigenständiger Verein, Heimat der Hockey- und Tennisspieler ist seit Anfang der 60er Jahre das große Gelände an der Hohen Eiche im Süden Degerlochs mit zwei Kunstrasen-Hockeyplätzen, einer Hockeyhalle mit großer Tribüne, sechs Tennissandplätzen sowie einer Vier-Platz-Halle mit Sandboden. Ein geräumiges Clubhaus mit Restaurant und großer Sonnenterasse, ein neuer Pool, der Padel-Platz sowie Tischtennisplatte und Kinderspielplatz runden das Angebot ab. Den Padel-Platz gibt es seit 2019, Padel ist im Grunde eine Mischung aus Tennis und Squash und ein eigenständiger Rückschlagsport, der viele Elemente besitzt, die es in anderen Sportarten gar nicht gibt. Er kommt ursprünglich aus Mexiko und ist besonders in spanischsprachigen Ländern der Volkssport schlechthin, einfach zu lernen und macht von Anfang an Spaß. Die Sportart ist sehr dynamisch und wird immer im Doppel, also mit vier Spielern auf dem Platz, gespielt, der Court ist nur 20 x 10 Meter groß und rundum mit Plexiglas verkleidet.

Von 1963 bis 1991 war ich also als Spieler beim HTC aktiv, seit 1978 in der Bundesliga, und in der Jugend- und Juniorenzeit absolvierte ich im deutschen Nationaltrikot 60 oder 65 Länderspiele. 1979 wurden wir dabei in Paris nach einer Finalniederlage gegen Pakistan Vizeweltmeister der Junioren, 1981 in Barcelona Europameister in dieser Altersklasse. Leider wurde ich später nie für Länderspiele der Aktiven nominiert.

Dafür wurde ich 1998 beim HTC Stuttgarter Kickers Vizepräsident Hockey und 2015 zum Präsidenten meines Heimatvereins gewählt. Dazwischen kam von 1999 bis 2005 meine Wahl zum Präsidenten des Deutschen Hockey-Bundes (DHB). In dieses Amt bin ich eigentlich durch Zufall „reingerutscht“: Der DHB hatte damals große finanzielle Probleme und ein ehemaliger Mannschaftskamerad von mir, Joachim Hürter, ein Finanzexperte, stellte ein Team zusammen, das in den folgenden Jahren die finanzielle Konsolidierung des Verbandes schaffte. Mich hatte er als „Redenschreiber“ beziehungsweise als Präsidenten eingeplant – also tat ich ihm den Gefallen.

In die Zeit meiner Präsidentschaft fielen übrigens zwei Momente, die ich nie vergessen werde. 2002 nahm die deutsche Herren-Nationalmannschaft als amtierender Europameister in Kuala Lumpur (Malaysia) an der zehnten Weltmeisterschaft teil. Nach Siegen in der Gruppe A der Vorrunde gegen Argentinien (5:2), Südafrika (3:0), Belgien (3:0), Neuseeland (2:1), die Niederlande (1:0) und Pakistan (3:2) wurde das Team trotz einer 2:3-Niederlage gegen Spanien Gruppensieger und traf im Halbfinale auf Südkorea. Nach einem 3:2-Erfolg standen die Jungs im Endspiel, das gegen Australien, Sieger der Gruppe B, mit 2:1 Toren gewonnen werden konnte. Deutschland war zum ersten Mal Hockey-Weltmeister!

Noch unerwarteter kam der Olympiasieg der deutschen Damen 2004 in Athen. Trotz einer 1:4-Niederlage in Gruppe B gegen die hohen Favoriten aus den Niederlanden und einem 0:3 gegen Südafrika kam das DHB-Team ins Halbfinale, weil gegen Australien (2:1) und Südkorea (3:2) gewonnen werden konnte, was Gruppenplatz 2 bedeutete. Beide Halbfinalbegegnungen wurden dann erst im Sieben-Meter-Schießen entschieden, Deutschland kam nach einem 0:0 nach Verlängerung durch ein 4:3 gegen China ins Endspiel, die Niederlande durch ein 4:2 (2:2 nach Verlängerung) über Argentinien. Im Finale konnten die Niederlande die 2:0-Führung der DHB-Spielerinnen nur noch auf 1:2 verkürzen – Deutschlands Hockey-Damen holten fast sensationell Gold, da konnte wirklich keiner mit rechnen!

Ein weiteres Highlight – diesmal aus Vereinssicht – war der Gewinn des Deutschen Meistertitels vor 16 Jahren in Düsseldorf. Nachdem die Kickers 1986 in Limburg dem HTC Uhlenhorst Mülheim mit 3:4 Toren im Endspiel unterlegen waren, klappte der große Wurf – endlich – 2005: Im Finale gegen den Titelverteidiger „Der Club an der Alster“ Hamburg stand es nach Verlängerung 2:2 unentschieden, so dass ein Siebenmeterschießen die Entscheidung bringen musste. Hier setzte sich unser HTC mit 3:2 durch – und zum Team gehörte auch mein Sohn Maximilian! Das machte mich schon sehr stolz!

Nach diesem – bis dahin – größten Erfolg der Vereinsgeschichte war unser Team 2006 für die Teilnahme am Europapokal der Landesmeister qualifiziert. Die Endrunde der acht qualifizierten Clubs fand im mittelenglischen Cannock, einer Kleinstadt in Staffordshire, statt. Dort sicherte sich der HTC Stuttgarter Kickers den Titel durch einen 3:1-Erfolg im Finale gegen Atlètic Terrassa HC. Der 1952 als Hockeyclub ins Leben gerufener Sportverein aus der katalanischen Stadt Terrassa (rund 30 Kilometer nordwestlich von Barcelona) zählt heute über 5.000 Mitglieder, wurde 21 Mal Spanischer Meister im Freien und 15 Mal in der Halle, holte 16 Mal den Pokal, war 19 Mal Katalanischer Meister auf dem Feld (18 Mal in der Halle) und gewann insgesamt sieben Mal den Europapokal. Der HTC kam nach Siegen gegen Royal Léopold Club (Belgien/3:0), SC Stroitel Brest (Belarus/6:2) und Oranje Zwart (Niederlande/2:1) ins Finale gegen die Spanier.

2018 bewarben wir uns mit der SCHARRena für die Ausrichtung des Final Four um die Deutsche Hallenmeisterschaft. In den Halbfinalspielen der Herren setzten sich der Club an der Alster Hamburg (6:2 gegen den Crefelder HTC) und der Uhlenhorster HC Hamburg (7:6 gegen Rot-Weiß Köln) durch. Meister im rein Hamburger Endspiel wurde Uhlenhorst durch einen 8:5-Sieg gegen den Club an der Alster. Die beiden Halbfinalmatches der Damen gewannen der Düsseldorfer HC (2:1 gegen den Harvestehuder THC) und der Club an der Alster Hamburg (7:2 gegen HTC Uhlenhorst). Das Endspiel gewann Hamburg gegen Düsseldorf mit 4:3 nach Siebenmeterschießen.

Auch im Februar 2020 richteten wir in der SCHARRena die „Deutsche“ aus, und die Herren von Rot-Weiß Köln gewannen vor 3.000 Zuschauern das Finale gegen den Berliner HC mit 7:6 Toren. In den Halbfinals hatten sich Berlin mit 8:4 gegen den HTC Uhlenhorst Mülheim und Köln mit 12:11 nach Siebenmeterschießen gegen den Club an der Alster durchgesetzt. Deutsche Meisterinnen wurden die Damen des Clubs an der Alster mit 4:3 Toren gegen den Düsseldorfer HC. Der hatte im Halbfinale den Harvestehuder THC mit 6:3 Toren bezwungen, Hamburg war gegen Uhlenhorst Mülheim mit 5:2 Treffern siegreich geblieben.

Seit 2007 organisiere ich mit einigen Weggefährten jährlich das „Stuttgarter Sportgespräch“, das wir als Denk- und Diskussionsforum für Sport, Sportpolitik und Sportrecht konzipiert haben und mit herausragenden Vertretern auf dem Podium besetzen. Dabei wird ein aktuelles Thema diskutiert und so Denkanstöße für Sportler, Trainer, Verbände, Vereine, Sportpolitiker, Manager, Medienvertreter und Wissenschaftler vermittelt. Anspruch der Veranstaltung ist eine offene, fachlich fundierte und kritische Diskussion mit dem Ziel, dem Sport innovative Impulse zur Problemlösung zu vermitteln sowie Raum für neue Perspektiven zu eröffnen. Bei der Premiere hatten wir mit etwa 30 Gästen gerechnet – es kamen aber knapp 200! Das Format kam an und hat sich seitdem extrem bewährt!

Meine Schulzeit habe ich komplett in Degerloch verbracht: Nach der Albschule wechselte ich aufs Wilhelms-Gymnasium, wo ich 1978 mein Abitur ablegte. Wie es sich für den Nachwuchs aus einer „Juristensippe“ gehört, begann ich dann ein Jurastudium in Tübingen und später in Bonn, ehe ich 1985 promovierte und nach dem Referendariat 1988 in die Kanzlei Wüterich & Breucker eintrat, in der mein Vater seit 1957 Sozius ist. Mein Sohn Maximilian schloss sich 2017 ebenfalls der Kanzlei an, und jetzt ist unsere Familie dort mit drei Generationen vertreten!

Hockey hat in unsere Familie immer eine gewichtige Rolle gespielt. Meine beiden Schwestern (Zwillinge) spielten in der Bundesliga, mein Sohn Maximilian wurde, wie schon erwähnt, 2005 mit dem HTC Stuttgarter Kickers Deutscher Meister, meine Tochter Johanna spielt Hockey und Tennis, und mein Sohn Fritz ist in der 2. Hockey-Bundesliga aktiv. Derzeit spielen die 1. Herren des HTC in der Halle und im Feld in der 2. Bundesliga, die Damen in der 2. Regionalliga.


Dr. Christoph Wüterich ist Rechtsanwalt, ursprünglich mit Spezialgebiet Bank- und Kapitalmarktrecht. Mittlerweile konnte sich der 62-Jährige auch auf dem Spezialgebiet „Sportrecht“ profilieren, und seine Kanzlei arbeitet seit Jahren eng mit der WADA, der Welt-Anti-Doping-Agentur, zusammen. Auch auf „Kronzeugenregelungen“ für geständige Dopingsünder hat er sich spezialisiert. Von 1999 bis 2005 war der Stuttgarter Präsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) – dessen Ehrenmitglied er heute ist – und lenkte das deutsche Hockey sowohl sportlich als auch finanziell in eine gute, gesunde Richtung. Der Hobby-Skifahrer und Tennisspieler machte aus dem DHB einen profihaft geführten Sportverband, der mit seiner Effektivität und Siegermentalität, aber auch in der Nachwuchs- und Breitenförderung zu den modernsten Sportverbänden unter dem Dach des DOSB zählt. Dr. Christoph Wüterich ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande der Bundesrepublik Deutschland.

[Fotos: Pressefoto Baumann]