Daniela Klesmann: Mit Pfeil und Bogen auf Erfolgskurs

Meine Eltern haben mich, als ich acht Jahre alt war, zum ersten Mal auf das Vereinsgelände der Bogenschützen (BS) Nürtingen mitgenommen, das direkt an der Bundesstraße 313 zwischen der Enzenhardtsiedlung und der Abzweigung in Richtung Großbettlingen/Raidwangen liegt, am so genannten „Raigerwald“. Sie hatten im Urlaub im Urlaub 1995 einen Schnupperkurs mitgemacht und waren von diesem Sport sofort begeistert. Zu Hause suchten sie sofort einen Verein und wurden Mitglieder bei den Nürtinger Bogenschützen. Im Januar 1996 wurde auch ich dort Mitglied, und mein Vater weihte mich nach und nach in die Geheimnisse des Bogensports ein.

Mir gefiel das Schießen mit Pfeil und Bogen ebenfalls auf Anhieb, und seit 2010 bin ich nicht nur Bogenschützin, sondern auch Sportleiterin im Verein. Das ständige und umfangreiche Training von Kindesbeinen an – vier bis fünf Mal wöchentlich, dazu Kraft- und Ausdauertraining, Fahrradfahren, zuhause Hantelarbeit und viel trainieren mit dem eigenen Körpergewicht – ermöglichte mir in der Jugend und später in der Damenklasse zahlreiche Erfolge und sorgte dafür, dass mir mein Hobby immer viel Spaß und Freude machte.

So konnte ich in den letzten zehn Jahren bei Deutschen Meisterschaften vier nationale Titel Recurvebogen in der Disziplin Feldbogen gewinnen, wurde bei vier Europameisterschaften je einmal Vize-Europameisterin im Einzel und mit dem deutschen Team und gewann nach Platz vier 2016 und dem neunten Rang 2018 bei den Weltmeisterschaften und holte bei der WM eines weiteren Verbandes (IFAA), ebenfalls 2018, in Südafrika zweimal Gold im Einzel und mit der Mannschaft.

Geboren wurde ich in Nürtingen, zur Schule ging ich in Kirchheim/Teck, wo meine Familie wohnt. Nachdem ich den Abschluss an der Freihof-Realschule hinter mir hatte, absolvierte ich ein Praktikum bei Heller in Nürtingen und begann anschließend bei Festo in Esslingen eine Ausbildung zur Technischen Zeichnerin, die ich 2007 beendete. 2008 ging ich Vollzeit in die Techniker-Schule in Kirchheim und ließ mich zur Maschinenbau-Technikerin ausbilden. In dieser Zeit arbeitete ich bereits stundenweise als Technische Zeichnerin. Inzwischen arbeite ich als Konstrukteurin bei Festo in Esslingen-Berkheim und wohne in Frickenhausen.

Meine sportliche Leidenschaft Bogenschießen kann ich natürlich nur als Amateur ausüben, der Aufwand als Profisportlerin ist neben dem Beruf nicht machbar. Deshalb ist eine Teilnahme an Olympischen Spielen nicht realistisch, muss ein Profi doch wesentlich mehr Zeit fürs Training investieren. Weil die Spitzenbogen technisch sehr aufwändig und teuer sind, braucht man zudem Sponsoren, um die Hochleistungssportgeräte finanzieren zu können. In Deutschland gibt es zwei verschiedene Nationalmannschaften, eine, in der Disziplin Feldbogen (hauptsächlich Amateure) und eine für die Olympische Klasse, die sich Bogenschießen im Freien nennt (hauptsächlich Profisportler). Die Akteure bei Olympia schießen auf Bogenplätzen auf 70 Meter Entfernung: Zweimal 36 Pfeile, danach weiter im K.-o.-System – Erster gegen den 32., Zweiter gegen den 31. und so weiter bis zum Finale. Als olympischer Bogen ist nur der Recurvebogen mit Visier zugelassen.

Bogenschießen gehört seit 1972 zu den olympischen Sportarten. Zuvor war es bereits in den Jahren 1900, 1904, 1908 und 1920 im Programm der Olympischen Spiele vertreten. 1904 in St. Louis (USA) war es die einzige Sportart, bei der auch Frauen teilnahmeberechtigt waren. Der einzige vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) derzeit anerkannte internationale Verband für den Bogensport ist die World Archery Federation (WA), bis 2010 als Fédération Internationale de Tir à l’Arc (FITA) bekannt. Deutschland wird in der World Archery Federation ausschließlich durch den Deutschen Schützenbund (DSB) vertreten. Innerhalb Deutschlands ist der Bogensport in weiteren Verbänden organisiert. Die mitgliederstärksten sind der DSB und der Deutsche Bogensport-Verband (DBSV). Ein weiterer Bogensportverband in Deutschland ist der Deutsche Feldbogenverband (DFBV). Dieser ist international an die International Field Archery Association (IFAA) angebunden, die jedes Jahr qualifikationsfreie Welt- und Europameisterschaften ausrichtet, Weltmeisterschaften im Bogenschießen werden seit 1931 ausgetragen.

Feldbogenschießen ist eine nicht-olympische Disziplin im Wald und wird in zwei Runden an jeweils mindestens zwölf Stationen absolviert, die dem vorhandenen Gelände angepasst sind. Die erste Runde wird auf unbekannte Entfernungen bis maximal 55 Meter geschossen. Die Aufgabe der Bogenschützen in dieser ersten Runde ist nicht nur der reine Schießablauf, sondern vor allem die korrekte Entfernungsabschätzung zum Ziel. Denn nur dadurch sind gute Treffer möglich. Technische Hilfsmittel, wie etwa Ferngläser mit integriertem Entfernungsmesser, sind nicht erlaubt. In der zweiten Runde wird auf die gleichen Ziele geschossen, jedoch handelt es sich nun um bekannte Entfernungen, die dafür weiter weg liegen. Die sind in die Landschaft eingebettet. Dies führt dazu, dass nicht nur einfach geschossen werden muss, sondern dass auch Anstiege oder Abhänge zu bewältigen sind.

Man unterscheidet drei Bogentypen: den Langbogen – die Ursprungsform aller Bogentypen –, den Recurvebogen und den Compoundbogen. Der Langbogen ist die ursprünglichste und einfachste Form eines Bogens, und besteht in der Regel zum überwiegenden Teil aus Naturmaterialen, in aller erster Linie aus Holz. In seinen moderneren Ausprägungen werden allerdings auch moderne Materialien, wie Carbon und Glaslaminat, verbaut. Die Länge der Bögen entspricht in etwa der Größe des Schützen. Neben dem Grundtyp des Langbogens gibt es auch einige Untertypen, zum Beispiel der Englische Langbogen, der vor allem im Spätmittelalter verwendet wurde, oder der Flachbogen. Er ist eine Kombination aus dem Englischen Langbogen und den Bögen der amerikanischen Ureinwohner, die Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts sehr weit verbreitet waren, ehe sie dann von den industriell hergestellten Recurvebögen verdrängt wurden.

Der Recurvebogen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die Bogenenden zur Vorderseite des Bogens zurückgebogen („recurved“) sind. Dadurch erzielt dieser Bogentyp einen höheren Wirkungsgrad im Vergleich zu Langbögen und damit schnellere Pfeilgeschwindigkeiten. Recurvebögen werden entweder ausschließlich aus modernen Materialien gefertigt oder zumindest aus einer Kombination von Holz und modernen Materialien. Der Compoundbogen ist die bis heute letzte Weiterentwicklung der Bogentypen. Er besitzt an den beiden Bogenenden drehbare Räder, sogenannte „Cams“, Umlenkrollen, die wie ein Flaschenzug arbeiten. Dadurch kann man Angriffswinkel und Hebelarme verändern. So wird das volle Zuggewicht bereits zu einem frühen Zeitpunkt erreicht, und der Schütze muss bei einem vollen Auszug nur noch einen geringen Teil der Zugkraft halten. Alle Bogenarten gibt es in einfachen Ausführungen, aber auch hochtechnisiert, zum Beispiel mit (Vergrößerungs-)Visieren oder Stabilisatoren. Zur Standardausstattung der Schützen gehören heute ein Armschutz am Unterarm und ein Brustschutz oder Streifschutz (nicht bei Compoundschützen) sowie ein Fingerschutz.

Mein Heimatverein ist der BS Nürtingen, aber in der kommenden Saison starte ich in der Bundesliga Nord für den SV Querum, der 1973 gegründet wurde, 1997 zu den Gründungsmitgliedern der Ersten Bundesliga Bogenschießen gehörte und in der Saison 2019/2020 den fünften Tabellenplatz belegte. Querum ist ein Stadtteil von Braunschweig (Niedersachsen). Trainer Hubertus von Schilling hatte mich angesprochen und nach mehreren Gesprächen sagte ich zu. Mit Dr. Ute von Schilling, der Ehefrau des Querumer Trainers, und Volker Kindermann von BS Nürtingen hatte ich als Team bereits an mehreren Turnieren teilgenommen. Außerdem wurden wir drei 2018 in Potchefstroom (Südafrika) Mannschafts-Weltmeister.

Mein tollster Moment im Sport war im September 2017 jedoch der Gewinn der Silbermedaille bei der Feldbogen-Europameisterschaft im slowenischen Mocrice/Catez, an der von BS Nürtingen auch mein Vater Richard Klesmann und Manja Conrad teilnahmen. Mit nur zwei Ringen Rückstand auf die Lokalmatadorin Ana Umer wurde ich Zweite, und dieser Erfolg war für mich höherwertig als die beiden Weltmeistertitel 2018, weil er im Hauptverband World Archery Federation (WA) errungen wurde. Auch bei der EM 2019 in Catez (Slowenien) gab es für das deutsche Frauen-Team, bestehend aus der Blankschützin Nora Kipferler, der Compoundlerin Teresa Wellner und mir, Rang zwei und die Silbermedaille, diesmal hinter Italien.

Die WM im Oktober 2018 wurde von der International Field Archery Association (IFAA) veranstaltet, und war mit über 400 Startern die bisher größte Bogensportveranstaltung in Südafrika. Am Ende der fünf Wettkampftage, an denen es teilweise Temperaturen von fast 40 Grad hatte, war ich mit 507 Ringen, einen Ring unter dem Weltrekord, aber mit neuer persönlicher Bestleistung Weltmeisterin in der Klasse AFFS (R) (Adult Female Free Style Recurve).

Mit BS Nürtingen habe ich zwei Jahre in der 1. Bundesliga Süd geschossen, und bei Deutschen Meisterschaften konnte ich 2009, 2010, 2018 und 2019 vier Titel gewinnen. Unser rühriger Verein hat aktuell 109 Mitglieder und organisiert nicht nur Vereinsmeisterschaften, sondern auch Schnuppertraining oder Turniere. In der Vergangenheit richteten wir mehrmals in der Nürtinger Theodor-Eisenlohr-Sporthalle Wettkämpfe der 1. und auch 2. Bundesliga aus, dabei wurde auf 18 Meter Distanz geschossen. 2002 wurde einmalig die Landesmeisterschaft im Freien auf 70 Meter ausgetragen.


Daniela Klesmann gewann 2018 in Südafrika im Einzel und in der Mannschaftswertung den Weltmeistertitel Feldbogen mit dem Recurvebogen. Sie wohnt in Frickenhausen und startet für die Bogenschützen (BS) Nürtingen, wo sie seit 2010 Sportleiterin ist. Die 33-Jährige ist gelernte Technische Zeichnerin und arbeitet seit 2011 als Konstrukteurin bei Festo in Berkheim.

[Fotos: Peter Lange & privat]