Cornelia Schaich: Segelflug-Weltmeisterin nach Schrecksekunde
Wie ich zum Segelfliegen gekommen bin? Ganz einfach – durch meinen Vater, der 31 Jahre lang Vorstand des Sportflieger-Club Stuttgart war, für den ich heute noch starte. Damals haben wir in Stuttgart-Möhringen gewohnt, so dass ich es in die Club-Werkstatt in Zazenhausen nicht weit hatte. Der Knoten für mich zum Segelfliegen hin platzte dann bei mir, als ich mit 16 Jahren an einem Fluglager in Südfrankreich teilnahm – das war einfach toll!
In der Schule habe ich bis zum Abitur einen Leistungskurs in Mathematik belegt und anschließend mein Diplom für Luft- und Raumfahrttechnik abgelegt. Bei Metabo fand ich dann eine Anstellung und so zogen wir nach Nürtingen. Mein Mann Thomas, den ich auf der Hahnweide kennenlernte, ist übrigens ebenfalls Luft- und Raumfahrttechniker, arbeitet allerdings in Stuttgart.
1986 nahm ich erstmals an Wettbewerben teil und besuchte zwei Jahre später meine erste Deutsche Frauenmeisterschaft. 1993 wurde ich für das Nationalteam und die Teilnahme an meiner ersten Europameisterschaft in Budweis (Tschechien) nominiert. Seither bin ich bei allen Deutschen Frauenmeisterschaften und den meisten Europa- und Weltmeisterschaften der Frauen mitgeflogen. Meinen ersten DM-Sieg holte ich mir 2002 auf der Hahnweide in Kirchheim/Teck. Ein zweiter Titelgewinn gelang mir 2008 in Lachen-Speyerdorf.
2001 wurde ich mit dem Nationalteam für die erste Frauen-Weltmeisterschaft in Litauen nominiert. Das war dann schon recht heftig, wir hatten zwei Kinder, sechs und vier Jahre alt, und wir waren insgesamt drei Wochen unterwegs, weil wir zu den beiden Wettbewerbswochen noch eine Woche zusätzlich vor Ort waren, um uns an die Bedingungen zu gewöhnen und sie kennenzulernen. Fähre und Flugzeug waren für vier Personen zu teuer, so dass nach längeren Planungen mein Mann schließlich mit Auto und Anhänger die – einfach – zirka 1.700 Kilometer lange Strecke in Angriff nahm, während die Kinder und ich mit dem Zug hinterherfuhren.
2003 fand die WM dann im tschechischen Jihlava (Iglau) statt. Dabei erlebte ich auch meinen bewegendsten Moment. Am letzten Wertungstag lag ich in Führung, aber mehrere Pilotinnen hatten ebenfalls noch sehr gute Titelchancen und es ging alles sehr knapp zu. Plötzlich habe ich bemerkt, dass mein Variometer, der so genannte Steigmesser, defekt war. Dieses Messgerät wertet die Änderungsgeschwindigkeit des von der Höhe abhängigen Luftdrucks aus und ist für einen Piloten sehr wichtig, um die Flughöhe einschätzen zu können. Mein Vario gab also keine Töne mehr von sich – was sollte ich tun?
Mein Mann, der alles am Boden verfolgte, gab mir den Tipp, dass vielleicht der Stecker am Lautsprecher ausgesteckt sei. Eine Landung zur Reparatur wäre zu zeitaufwendig gewesen und hätte mich aller Chancen auf die Goldmedaille beraubt. Also flog ich ein Stück von den anderen Flugzeugen weg, schnallte ich mich ab, griff ganz weit vorn in den Fußraum und tatsächlich – das Ding hing loser herum. Schnell nahm ich ihn, steckte ihn ein und schnallte mich auf meinem Sitz wieder an. Das alles dauerte rund eine Minute, aber das Variometer piepste und funktionierte wieder einwandfrei. Was für ein erlösendes Geräusch! In dieser Situation stand alles auf des Messers Schneide, es war schon ein sehr bewegender Moment und ich war total euphorisiert. Ich hatte diesen Zwischenfall glücklich überstanden und gewann schließlich Titel und WM-Gold.
Mit meiner LS8, einem Segelflugzeug mit 15 Metern Spannweite, gehe ich in der Standardklasse an den Start und gewann noch zwei WM-Silbermedaillen, eine 2013 im französischen Issoudun (im deutschen Team standen wir zu dritt auf dem Treppchen), die andere 2017 in Zbraslavice (Tschechien). Hier musste ich nur die Französin Aude Grangeray vorbeiziehen lassen.
Wer wettbewerbsmäßig Segelfliegen will, sollte schon in guter körperlicher Verfassung sein. Eine sinnvolle Voraussetzung wäre, neben einer hohen Konzentrationsfähigkeit, dass man in der Lage ist, acht oder mehr Stunden relativ bewegungslos im Cockpit zu sitzen. Man kann ja schlecht während des Fluges herumlaufen, wie es etwa in einem Verkehrsflugzeug möglich ist. Möglichst viel fliegen ist das beste Training, am besten große Strecken, so 750 Kilometer oder mehr im Dreieck. Im Laufe der Jahre bekommt man auch viel Erfahrung als Wetterkundlerin. Wo findet man die beste Thermik? Die ist zum Beispiel über dem Schwarzwald schon morgens zu finden, aber im Osten dafür langlebiger. Da hilft man sich gegenseitig auch, gibt gute Thermikzonen durch. Klappt es dann nicht so gut, sollte man immer schon geeignete Flächen für eine Außenlandung ins Auge fassen.
Neben dem Fliegen habe ich noch zwei weitere Hobbies: Skifahren und Wandern. Das passt ganz gut, denn von März bis in den Herbst wird alles dem Fliegen untergeordnet, das dann im Winter bei mir Pause hat. Um fit zu bleiben, gehe ich joggen und im Winter bei der TSV Oberensingen einmal in der Woche zur Ski-Gymnastik. Mein Mann fliegt ebenfalls (beim FSV Nürtingen), auch unser Sohn Adrian, unsere Tochter Ronja hat damit weniger am Hut.
Mein Verein, der SCS, wurde 1950 gegründet und hat etwa 70 Mitglieder, unser Heimatflugplatz ist die Hahnweide. Dort sind unsere Flugzeuge – fünf Hochleistungs-Segelflugzeuge, ein Oldtimersegelflugzeug und ein Motorsegler – und eine Seilschleppwinde untergebracht. Seit 2010 bin ich Schatzmeisterin des Vereins. Außerdem bilde ich als Fluglehrerin junge Segelfliegerinnen und Segelflieger aus. Vielleicht kann ich ja das Virus des Überlandfliegens und des Wettbewerbsfliegens an den einen oder die andere weiterzugeben.
Cornelia Schaich wohnt in Nürtingen und startet für den Sportflieger-Club Stuttgart in der Standardklasse. Sie gehört der deutschen Nationalmannschaft im Segelfliegen an und wurde 2003 in Jihlava (Iglau) in Tschechien Weltmeisterin.
[Fotos: privat]