Alexander Knecht: Paralympische Finalteilnahme

Durch meinen Vater Edgar Knecht war ich schon als kleiner Bub mit dem Blindensport verbunden. Er kam zum Behindertensport, da er im Zweiten Weltkrieg erblindete und sich 1959 der Stuttgarter Versehrtensportgruppe anschloss. Schon in jungen Jahren waren meine Brüder und ich bei unseren internationalen Torballturnieren in Stuttgart als Balljungen oder Zeitnehmer im Einsatz. Auch bei auswärtigen Turnieren, bei denen wir manchmal als Begleitung mitfuhren, übte Torball schon früh eine besondere Faszination auf mich aus. So kam es, dass ich 1989 von Lothar Seidl den Trainer-Job der Blindensportgruppe des BSV Stuttgart übernahm und es bis heute geblieben bin. Seither gewannen meine Damen acht Mal den Deutschen Meistertitel. Zudem wurden die Spielgemeinschaft Hoffeld/Karlsruhe/München 2015 Weltcupsieger. Meine Herren gewannen 1989 DM-Bronze und waren 2015 Gründungsmitglied der 1. Torball-Bundesliga. Der absolute Höhepunkt als Trainer ist für mich sicherlich der Goldmedaillen-Gewinn „meiner Spielerin“ Conny Dietz bei den Paralympics 1996 in Atlanta. Dort erlebte ich live mit, wie Conny, damals Spielerin des BSV Stuttgart, als Centerspielerin eine überragende Leistung abrufen konnte und mit der deutschen Nationalmannschaft das Finale gewann. Somit hatte sich unser spezielles Einzeltraining über mehrere Monate hinweg wahrlich ausgezahlt.

Die eigentliche „Kariere“ machte ich jedoch als Schiedsrichter: 1986 nahm ich das erste Mal die Pfeife in die Hand. Schon im Januar 1987 wurde ich dann zum Torball-Bundesschiedsrichterlehrgang eingeladen. Zwei Monate später pfiff ich in Offenburg meine erste Deutsche Meisterschaft. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) schickte mich im Sommer desselben Jahres auf einen internationalen Goalball-Schiedsrichterkurs nach Milton Keynes/England. Goalball kannte ich bis dahin nicht. Dies war dem Umstand geschuldet, dass zu dieser Zeit in der Bundesrepublik Goalball so gut wie nicht in Vereinen gespielt wurde. Der Goalball-Schiedsrichter-Lehrgang fand direkt vor den Europameisterschaften statt, welche wir auch gleich pfeifen durften.

Richtig überraschend war für mich, als ich als Neuling 1988 die Schiedsrichter-Nominierung für die Paralympischen Spiele in Seoul (Südkorea) erhielt. Die Freude war gewaltig, denn wer hätte gedacht, dass mein drittes Goalball-Turnier gleich die Paralympics sein würden. Für einen 21-Jährigen unter lauter „alten Hasen“ war das ein riesiges Erlebnis. Auf dem Platz vor dem Olympiastadion in Seoul musste ich sogar mal 45 Minuten lang Autogramme schreiben. Vermutlich hielten mich die Koreaner für einen Sportler, weil ich jung war, westlich aussah und Sportkleidung trug. 1990 pfiff ich in Calgary (Kanada) dann meine erste Weltmeisterschaft. Lange Zeit war ich stets der Jüngste unter uns internationalen Schiedsrichtern. Bei den Paralympics 1992 in Barcelona durfte ich das erste Mal das Endspiel der Herren leiten.

Auch bei den Paralympics 2000 in Sydney, 2004 in Athen (Höhepunkt dort war eine Begegnung mit Königin Sylvia von Schweden) und 2008 in Peking stand ich jeweils im Finale mit der Pfeife in der Hand am Spielfeldrand. Nachdem ich 2012 in London als Volunteer in der Goalballhalle mitwirkte, war ich 2016 in Rio de Janeiro wieder als Schiedsrichter dabei. Viele weitere, sportliche Höhepunkte folgten, an welchen ich oft das Finale leiten durfte.

2014 hatte ich dann sogar zwei TV-Auftritte. Zunächst ging es bei „Schlag den Raab“ um Goalball. Entgegen den üblichen Regeln, bei denen bei jeder Mannschaft drei Personen auf dem Spielfeld sind, wurde hier nur 1-gegen-1 gespielt. Stefan Raab machte seine Sache dabei sehr gut und gewann den Vergleich mit Kandidatin Caroline mit 3:1. Später kam noch ein Auftritt bei „Schlag den Star“ hinzu: Damals gewann Joey Kelly gegen Steffen Henssler.

Bei den vielen Austragungsorten in verschiedensten Ländern, so großartig sie auch sind, sehen wir allerdings überwiegend die Sporthallen und Hotels. Natürlich versuche ich immer, wenigstens ein bisschen, auch etwas von Land und Leuten kennenzulernen. Das Wichtigste für mich sind ohnehin die Begegnungen mit all den Menschen und Freunden beim Sport auf der ganzen Welt, das Knüpfen neuer Kontakte und das Pflegen der bestehenden. Es zeigt, dass man auch als Nichtbehinderter im Behindertensport viel „Erfolg“ und vor allem jede Menge Spaß haben kann.

Für Tokio 2020 war ich nicht als Schiedsrichter nominiert. Dies wären die ersten Paralympics gewesen, welche ich seit 1988 verpasst hätte.  Dennoch freue ich mich auch in Zukunft darauf, bei unserem Sport noch viele, tolle Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen zu haben, egal ob als Trainer, Schiedsrichter oder Lehrgangsleiter.


Alexander Knecht kommt aus Stuttgart ist Goalball- und Torball-Schiedsrichter. Beim Württembergischer Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS) ist er seit 2001 Fachwart für Blindensport/Goalball.

[Fotos: Pressefoto Baumann / Alexander Knecht]