Guido Dobbratz: Geburtstagsgrüße vom IOC-Präsidenten

Der schönste Moment meiner Laufbahn als Sportreporter war das DFB-Pokal-Finale 1987 in Berlin, das „meine“ Kickers sensationell als Zweitligist gegen den großen Hamburger SV erreicht hatten. Nach der 1:0-Führung durch Dirk Kurtenbach in der 15. Minute glich zwar Beiersdorfer zwei Minuten später aus, aber die „Blauen“ hielten vor 76.000 Zuschauern bis zur 88. Minute mit, ehe Manni Kaltz und ein Eigentor von Niels Schlotterbeck unmittelbar vor dem Schlusspfiff dem damals noch renommierten Bundesligisten von Trainer Ernst Happel den Pott bescherten. Aber die „Invasion“ von Tausenden von Schwaben auf dem Kurfürstendamm und die Stimmung im Olympiastadion waren einmalig, das werde ich immer in Erinnerung behalten und niemals vergessen.

Ein „Blauer“ wurde ich, weil mein Opa mich schon als kleiner Bub ins Waldau-Stadion unter dem Fernsehturm mitnahm. Dort erlebte ich 1948 den berühmten „100-Tore-Sturm“ live mit, als die Kickers unter anderem mit Edmund Conen, Helmut Jahn, Albert Sing oder Reinhard Schaletzki in 38 Spielen der Oberliga Süd 113 Tore erzielten und mit 50:26 Punkten Dritter hinter Meister 1. FC Nürnberg (60:16) und dem TSV 1860 München (52:24) wurden. Das waren noch stolze Zeiten, denn nun sind die Kickers bis in die fünfte Liga „abgestürzt“ und das ist für mich unfassbar. Übrigens spielte ich einst in der Jugend auch Hockey beim HTC Kickers, der sich 1957 vom Hauptverein losgelöst hatte.

Mein zweiter sportlicher Bezugspunkt in Degerloch war und ist der TEC Waldau – weil ich ein leidenschaftlicher Tennisspieler war und immer noch bin – und der tus Stuttgart Eissport. Meine Mutter war Eislauftrainerin beim tus, so ging auch ich aufs Eis – mit Erfolg: Meine zwei Jahre jüngere Schwester Birgit und ich wurden 1970 Baden-Württembergische Meister im Eistanz. Meine Frau Sibylle gab zu dieser Zeit als Erzieherin im tus-Sportkindergarten auch Eislauf-Unterricht, und so haben wir uns auf dem Eis kennengelernt. Mittlerweile sind wir seit 41 Jahren verheiratet. Wir haben zwei Töchter – Bianca ist Sport- und Englischlehrerin an der Internationalen Schule Stuttgart und lebt im Sonnenberg, Sandra ist Journalistin und TV-Redakteurin in Köln – und seit acht Monaten sind wir stolze Großeltern von Enkel Elian.

Nach meiner Grundschulzeit in Möhringen ging ich aufs Karls-Gymnasium in Stuttgart Süd, einem humanistischen Gymnasium mit Latein als erster Hauptsprache. Mein Vater Kurt Dobbratz war Journalist und gründete 1945 die Internationale Sport-Korrespondenz (ISK). Außerdem „erfand“ er 1947 den „Sportler des Jahres“, so dass es nicht weiter verwunderlich ist, dass auch ich mich dem Journalismus zuwandte, zumal ich angeblich schon als Kind mit einer Gießkanne als Mikrophon Reportagen über alles Mögliche gemacht haben soll. Ich hospitierte also zunächst bei der ISK sowie der Stuttgarter Zeitung und war dort auch drei Jahre Redakteur. Dann holte mich Dr. Jörg Stockinger, der damalige Sportchef des Süddeutschen Rundfunks (SDR), 1967 in die Fernsehredaktion des Südfunks. Kollegen waren zu der Zeit Helmut G. Müller, Volker Rath und Hagen von Ortlof. 1978 wurde Günter Wölbert unser Chef. Interessanterweise arbeitete ich freiberuflich für den SDR/SWR, erst in den letzten zehn Jahren vor meiner Pensionierung wurde ich fest angestellt.

Mein erster Beitrag lief am Montag, 20. November 1967 (damals wurde nur montags über Sport berichtet), mit einem Spiel der Basketball-Bundesliga Gruppe Süd zwischen dem USC Heidelberg und Grün-Weiß Frankfurt. Der letzte Filmbeitrag vor dem Ruhestand am 30. April 2006 handelte vom Hockey – es ging um das Bundesliga-Match HTC Stuttgarter Kickers gegen den Berliner HC. Fast 40 Jahre lang produzierte ich als Sportreporter rund 3.200 Beiträge für den Sender, so viele wie kein anderer Kollege. Damit bin ich immer noch Rekordhalter und schon ein bisschen stolz drauf. Im Redaktions-Alltag habe ich mich auf so genannte Randsportarten konzentriert, wie Eiskunstlauf, Kunstradfahren, Hockey oder Bogenschießen. Und natürlich auf die Kickers, mit denen ich alle Höhen und Tiefen erlebte.

Ich begleitete die ganz große Zeit des Fechtzentrums Tauberbischofsheim mit Chef-Trainer Emil Beck und belegte sogar mit meinem Kollegen Klaus Schlütter von der Bild-Zeitung einen eigens für Journalisten ausgeschriebenen Fecht-Lehrgang. Über Thomas Bach, in diesen Jahren Florett-Weltmeister und Mannschafts-Olympiasieger, habe ich viel berichtet, und wir haben seitdem immer Kontakt gehalten. Zu meinem 80. Geburtstag Ende Mai erhielt ich von ihm die Olympischen Ringe aus Silber und über dieses persönliche Geschenk vom IOC-Präsidenten habe ich mich riesig gefreut.

Beim Eiskunstlauf erlebte ich die große Zeit von Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler, aber auch von Norbert Schramm, Heiko Fischer, Tina Riegel und Andreas Nischwitz sowie auch von Rudi Cerne, den ich jetzt Jahr für Jahr in Baden-Baden treffe, wenn er mit Katrin Müller-Hohenstein die Gala „Sportler des Jahres“ moderiert. Fußball habe ich bereits in der Schulmannschaft gerne gespielt, später auch im Team des „FC Sport im Dritten“, das ich zudem als Teamchef managte. Ich organisierte sehr viele Benefizspiele im „Ländle“. Wir sammelten stets Geld für einen guten Zweck und hatten immer wieder zahlreiche „Promis“ dabei – zum Beispiel Joachim „Jogi“ Löw. So kamen im Laufe der Jahre über 300.000 D-Mark zusammen, und ich erhielt 2001 stellvertretend für die Mannschaft von Annette Schavan, der damaligen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, die Staufermedaille in Silber, eine Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg für den Einsatz im Ehrenamt.

Nicht nur als Sportreporter war ich im Einsatz, ich führte auch als Moderator durch viele Veranstaltungen, war Hallensprecher bei den Kickers-Handballern oder mehr als 40 Jahre lang Chefredakteur der Eislaufzeitschrift „Pirouette“. Nach dem Ende der SWR-Zeit 2006 folgten drei Jahre als Pressesprecher der „Blauen“, und ich berichte heute noch alle zwei Wochen für das „Degerloch-Journal“ über das Sportgeschehen rund um den Fernsehturm. Öfters erscheinen zudem Beiträge von mir im Veranstaltungsmagazin „Zur Sache Stuttgart“. Ich habe einfach Freude am Schreiben – manche nennen es das „Dobbratz-Gen“ – und konnte viele interessante Menschen kennenlernen, es waren und sind immer noch schöne Zeiten!

Zuletzt hat mich der Zusammenbruch des Dänen Christian Eriksen bei der Fußball-Europameisterschaft tief berührt, erinnerte er mich doch an ein ähnlich schockierendes Erlebnis 1997. Damals berichtete ich vom Regionalligaspiel des SSV Reutlingen gegen den SC Weismain, als der 30-jährige Nigerianer Emmanuel „Emma“ Nwanegbo im Stadion an der Kreuzeiche zusammenbrach und den Sekundentod starb. Das war die härteste Reportage meines Lebens! Sehr mitgenommen hat mich auch der frühe Tod des fünfmaligen Deutschen Meisters im Eiskunstlauf, Heiko Fischer, der 1989 im Alter von erst 29 Jahren beim Squashspielen in Sindelfingen zusammenbrach und an den Folgen einer chronischen Herzmuskelentzündung verstarb.


Guido Dobbratz ist in Stuttgart geboren und wohnt seit mehr als 40 Jahren in Degerloch. Kein Wunder, dass er schon in jungen Jahren in engen Kontakt zu den Stuttgarter Kickers kam, denen er als „Dunkelblauer“ bis heute die Treue hält. Wie auch dem TEC Waldau und dem tus Stuttgart, wo er mit Tennis und Eiskunstlauf in Berührung kam.  Guido Dobbratz war mehrere Jahre Vorstandsmitglied des Vereins Sportpresse Württemberg und berichtete live von sechs Olympischen Spielen sowie zahlreichen Weltmeister- und Europameisterschaften.

[Fotos: Pressefoto Baumann & privat]