Alex Gehrer: Mister Beachhandball

Im Jahr 1994 hatten wir in Bartenbach, einem Ortsteil von Göppingen, das erste Beachhandball-Turnier in Deutschland organisiert. Als 2000 die erste Beachhandball-Europameisterschaften anstanden, wurde ich vom Deutschen Handballbund (DHB) beauftragt, zwei Nationalteams zusammenzustellen und war danach sieben Jahre lang Beachhandball-Bundestrainer. In dieser Phase arbeitete ich unter anderem mit Aaron Ziercke, Kay Germann und Frank Carstens zusammen, die in der Halle Nationalspieler oder Bundesligaspieler waren. Bei den Frauen waren zum Beispiel Hallen-Nationalspielerin Isabel Klein, damals noch unter ihrem Mädchennamen Nagel spielend, die später Nationalspieler Dominik Klein heiratete, National-Torhüterin Tine Lindemann, die Nationalspielerinnen Steffi Mehlbeck und Franziska Heinz sowie die Berliner Bundesligaspielerin Kata Hartenstein dabei.

In meine Bundestrainer-Zeit fiel auch die Weltmeisterschaft 2006 in Brasilien, dort war ich als Delegationsleiter für beide Nationalteams zuständig. Die Frauen – vier Monate zuvor in Cuxhaven als Europameisterinnen gefeiert – wurden an der Copacabana Vize-Weltmeister. Das war ein Mega-Highlight! Im selben Jahr sicherte sich die Handball Akademie Göppingen mit mir als Spielertrainer die Deutsche Meisterschaft im Beachhandball – von den vielen beeindruckenden Momenten, die ich erleben durfte, waren dies meine beiden herausragenden sportlichen Momente. 2005 wurde ich mit den deutschen Männern bei den World Games, den „Olympischen Spielen der nicht-olympischen Sportarten“, in Duisburg Vierter. Bei den World Games 2009, die in Kaohsiung (Taiwan) stattfanden, war Beachhandball wieder fester Bestandteil der Spiele; ich war damals im Auftrag der Internationalen Handballföderation (IHF) vor Ort.

In dieser Zeit wurde ich in viele Gremien der IHF und der Europäische Handballföderation (EHF) berufen und lernte schließlich im Jahr 2008 Hassan Moustafa kennen. Der frühere ägyptische Nationalspieler und -trainer ist seit 2000 bis heute IHF-Präsident. Er bat mich, ein Marketingkonzept für die IHF zu erarbeiten. Danach ging alles ganz schnell: Er gab mir einen Vertrag. und so baute ich in der IHF-Geschäftsstelle in Basel die Marketing-Abteilung des Weltverbandes auf. Meine erste Aufgabe in dieser Funktion: Ich war für die Vermarktung der Hallen-WM der Männer in Kroatien 2009 zuständig. 2010 wurde ich von der EHF abgeworben und von 2010 bis 2015 arbeitete ich in derselben Position bei der EHF in Wien. Mein beruflicher Moment war, dass ich in meiner Sportart Handball-Marketingleiter des Weltverbandes war. In dieser Zeit führte ich mit meiner Freundin Manuela – sie hatte inzwischen am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart promoviert – eine Fernbeziehung. 2012 heirateten wir, und so erlebte ich meine privaten Momente, nämlich die Geburten meiner Töchter Lotta (2016), Madita (2018) und Greta im Januar 2021. Das waren und sind total wertvolle Jahre für mich und – weil ich ja seit 2015 von zu Hause aus arbeitete – ein Riesengeschenk, konnte und kann ich doch meine Kinder aufwachsen sehen.

Bernhard Bauer, der ehemalige Präsident des Deuthschen Handballbundes (DHB) und Ehrenpräsident des Handballverbands Württemberg (HVW), und HVW-Präsident Hans Artschwager übertrugen mir bei der Frauen-WM 2017 in der Vorrundengruppe B in Bietigheim-Bissingen die Aufgabe, als „Floor Manager“ die Abwicklung der 15 Begegnungen zu managen. Später überredeten sie mich, als Beach-Referent für Handball Baden-Württemberg die „Sand-Sparte“ zu verantworten. Außerdem fungiere ich derzeit als EHF-Lektor in Sachen Beachhandball und berate den DHB, der nach dem schmerzhaften und für mich immer noch nicht nachvollziehbaren Rückzug aus dem Sand 2007 die „Beacher“ zu Breitensportlern degradierte. Erst 2015 ging es wieder aufwärts mit der Sportart, hatte sie doch inzwischen die Rückendeckung des DHB wiedergewonnen.

Viele Menschen, die sich im Handball nicht so gut auskennen, fragen, was Beachhandball von der herkömmlichen Variante unterscheidet. Das Einzige, was wir gemein haben: Wir werfen auch mit einem Ball auf ein Tor, in dem ein Torhüter steht. Ansonsten ist fast alles anders. Beim Beachhandball spielt man „Drei gegen Drei plus Torhüter“. Der Keeper hat einen Sonderstatus, er wird permanent ins Angriffsspiel eingebunden und trägt ein andersfarbiges Trikot. Trifft er, gibt es einen Extrapunkt. Auch Tore, die per Kempa-Trick, also dem Anspiel in der Luft, erzielt wurden, zählen doppelt. Tore nach einer Pirouette ebenso. 

Auf Sand kann man nicht prellen, das geht halt einfach nicht. Dafür darf man den Ball auf dem Sand rollen und drei Schritte mit dem Ball in der Hand machen. Die Spielerinnen und Spieler dürfen auch auf der ganzen Längsseite das Feld verlassen und betreten, das macht das Spiel schnell. Schlagen und Klammern, wie man es aus der Halle kennt, wird im Sand streng geahndet. Ich würde sagen, wir spielen nahezu kontaktlos. Ein Spiel dauert zweimal zehn Minuten, die beiden Halbzeiten werden aber getrennt gewertet. Die Tordifferenz ist dabei egal, man kann die erste Hälfte mit zwanzig Toren verlieren und die zweite mit einem Tor Vorsprung gewinnen. Dann würde das Shootout mit fünf Werferinnen oder Werfern folgen. Es gibt im Beachhandball immer einen Sieger. Das macht es sehr telegen und gut planbar für die TV-Sender, es ist ein wunderbarer Sport für das Fernsehen. Deshalb ist es sehr schade, dass das IOC, das Internationale Olympische Komitee, Anfang Dezember die Aufnahme von Beachhandball ins Olympische Programm für 2024 in Paris abgelehnt hat; es wird aber bestimmt einen neuen Anlauf für Los Angeles 2028 geben.


Alex Gehrer ist Diplom-Sportwissenschaftler und studierte von 1994 bis 1997 in Tübingen. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er zwei Jahre lang im Organisationskomitee für die Olympischen Spiele in Sydney 2000. Gehrer stammt aus Bartenbach und lebt dort heute wieder mit seiner Familie. Sein Buch „Beachhandball – der neue Sommersport“ erschien im Jahr 2006; aktuell schreibt er an einem englischsprachigen Buch über Beachhandball, das im Laufe des Jahres 2021 herauskommen soll.

[Fotos: Pressefoto Baumann / privat]