Achim Seiter: Grenzenloser Jubel wegen Andreas Hinkel

Ein spontaner Mensch war ich schon immer, dabei nicht immer konsequent und oft mit relativ großer Blauäugigkeit! Aber ich hab’s rückblickend insgesamt ganz gut erwischt und nicht so arg viel bereut. Beispiel gefällig? Bei einer geschäftlichen Begegnung lernte ich 1998 Kai Keller, den Geschäftsführer der Marbacher Zeitung, kennen. Wir hatten die gleiche Wellenlänge und verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Bei diesem Treffen wurde die Idee eines Volks-Triathlons geboren. Gemeinsam machten wir uns dann an die Umsetzung, begeisterten ein paar Vereine als Mitstreiter und ließen Plakate und Flyer drucken. Es gab viel zu organisieren, aber wir stürzten uns mit viel Herzblut in die vielfältigen Aufgaben. Der erste „mz3athlon“ (mz stand für Marbacher Zeitung) fand dann 2000 statt und hat „eingeschlagen wie eine Bombe“. Ich erinnere mich noch an jedes Detail, schließlich war er „mein Baby“, meine erste selbst durchgeführte Veranstaltung. Ich war absolut happy, und das alles machte Lust auf mehr.

Sonntags stieg der mz3athlon, montags traf ich – wie gesagt, ich war immer sehr spontan – eine folgenschwere Entscheidung. Ich war damals – nach einer Lehre als Textilkaufmann – Leiter der Marbacher Geschäftsstelle der Barmer Krankenkasse und praktisch unkündbar, aber dienstags habe ich, ohne Not, gekündigt! Ich wollte einfach was Neues machen. Danach hat sich mein ganzes Leben verändert. Diese Entscheidung war ganz sicher blauäugig, bereut habe ich sie aber nie. Sie war der Beginn meines gegenwärtigen Lebens, voller Chaos, kuriosen Veranstaltungen – aber auch ganz viel Lebensqualität und Begegnungen mit wunderbaren Menschen! Mag sein, dass ich jetzt viel mehr arbeite als früher und etwas mehr finanziellen Druck verspüre, aber das stört mich nicht. Ich liebe die absolute Freiheit, die Arbeit und weiß diesen Zustand sehr zu schätzen.

Anfangs, nach meiner Kündigung, hatte ich keinerlei Kontakte, ein Geschäftsführerposten beim Bildungs- und Begegnungszentrum EmK e.V. brachte mir die ersten Einnahmen. Nach und nach kamen weitere Geschäftsfelder hinzu. Ich arbeitete in Teilzeit und als freier Mitarbeiter für Brooks Running, daraus wurde später ein festes Arbeitsverhältnis. Ich war viele Jahre als Zeitnehmer für Mika Timing in ganz Deutschland unterwegs. Ich konnte und kann einfach nicht nur eine Sache machen, auch heute noch nicht, ich muss immer in Bewegung sein und habe stets mehrere Projekte „in der Pipeline“ und die nächsten schon wieder im Kopf. Das war eigentlich schon immer so.

Seit 1998 habe ich eine Sportagentur mit Namen „3komma8“, ein „Unternehmen, das sich auf die Suche nach Sportemotionen macht“ – so habe ich es auf die Homepage geschrieben, klingt gut, oder? – über die ich nicht nur Technik, sondern auch mich selbst „vermiete“. Als Moderator versteht sich. Und genau daher kennen mich wohl die meisten. Denn: Kaum eine Sportveranstaltung in der Region geht ohne meine Stimme über die Bühne. Nach dem ersten „mz3athlon“ haben mich die TF Feuerbach gefragt, ob ich auch bei ihnen moderiere, und so hat dann alles seinen Lauf genommen. Lust auf Sport, die Bequemlichkeit und die Trägheit des „im Sessel sitzen“ zu überwinden, aktiv zu werden sind weitere Schlagworte. Nicht das Motto „höher, schneller, weiter…“ ist unsere Intention, sondern Spaß, Freude und Sport als Lebensqualität, der Menschen vereint, aber auch den Menschen als Individuum und Geschöpf Gottes anerkennt und stärkt, das ist unsere Hoffnung. Einfacher ausgedrückt: Ich habe eine Agentur für Dienstleistungen, mache Zeitnahmen, viel Moderation – das war gar nie unbedingt gewollt. Aber die Reaktionen der Leute waren und sind positiv, vielleicht mögen sie meine freche Gosch oder meine manchmal durchaus vorhandene Feinfühligkeit.

Ich kenne viele Sportlerinnen und Sportler gar nicht, denen ich begegne und mit denen ich zu tun habe, ich spreche sie einfach an und frage sie aus. Denn ich bin ein unglaublich neugieriger Mensch, hole mir immer und überall Informationen und Inspiration für irgendwas und irgendwann für meine eigenen Veranstaltungen. Wenn ich neugierig bin, reicht es nicht, wenn ich ein Buch über etwas lese. Ich will es dann selbst ausprobieren, so kam ich zum Triathlon. Eigentlich war ich nie ein Sport-Ass. Ab und zu mal Skifahren, vielleicht auch aufs Rad steigen und mittwochs kicken, das machte ich als Kind gerne. Aber einen Marathon laufen oder gar einen Triathlon absolvieren – das war für mich völlig undenkbar. Doch dann packte mich die Faszination des Laufens, kurzerhand startete ich beim Bietigheimer Silvesterlauf, ein Jahr später beim Berlin-Marathon. Es folgte der Ironman in Roth, das war ein richtiges „Wow-Gefühl“.

Ich gehöre jedoch nicht zu den verbissenen Sportlern, bereite mich zwar mit gebührendem Respekt auf etwas vor, aber nie mit großen Zielen. Ich bin aber fasziniert von dem Event und zähle mich eher zu den „Helden des Alltags“: Ich bin im Ziel, lange, nachdem die Guten durch und die Frodenos dieser Welt schon geduscht sind, aber es macht mir einen Riesenspaß!!! Du lernst bei jeder Veranstaltung, und ich treibe Sport aus Abenteuerlust.

Fahrradfahren, Schwimmen, Laufen – das bedeutet für mich ein maximales Gefühl von Freiheit. Doch die Leidenschaft, die am meisten Leiden schafft, ist der VfB Stuttgart. In all den Jahren brachte ich mich in meiner Freizeit in die Kirchenarbeit ein, organisierte mehr als 20 Jahre lang Kinderfreizeiten, und lebte und lebe immer noch viele christliche Ideale. Durchaus mit Zugeständnissen. Sonntags arbeite ich normalerweise, das kollidiert schon etwas mit der Kirche, aber ich denke, mein Glaube passt ganz gut zu mir.

Im Neckarstadion erlebte ich auch zwei meiner größten Momente. Zum einen, als 2003 kurz vor dem Anpfiff eines Spiels bekannt gegeben wurde, dass Andreas Hinkel seinen Vertrag verlängert hat – da lagen sich in der Cannstatter Kurve wildfremde Menschen in den Armen und hatten alle Hoffnung auf bessere Zeiten! Und zum zweiten bei der Leichtathletik-WM 1993 am zweiten Tag des Zehnkampfes. Der Göppinger Michael Kohnle wurde Neunter oder so, das Publikum skandierte unablässig seinen Namen und hielt mit seinem grenzenlosen Jubel den ganzen Ablauf auf. Der Moment war voller Emotionen, auch weil Paul Maier Dritter geworden war und Bronze holte. Es war alles einfach unfassbar! Ach übrigens: Wahre VfB-Fans stehen natürlich in der Cannstatter Kurve, die Untertürkheimer Kurve ist wie auswärts Fußball schauen.

Nicht das Finishen bei Triathlons oder Marathons ist mein Ding, ich bin eher ein Freund von Dingen, die außerhalb aller Erwartungen geschehen. So hatte ich das Glück, dass ich in den USA Michael Jordan live habe spielen sehen! Schade, dass dies mit Dirk Nowitzki nicht geklappt hat. Außerdem bin ich ein Fan der Seattle Seahawks in der NFL – sowie meiner Freizeitkicker „Mumpitz89“. Die Truppe gibt es schon seit rund 30 Jahren, aber mittlerweile besteht der wöchentliche Treff nicht mehr aus einem Abend-Kick, sondern einem Besuch im Wirtshaus. Das ist auch schön, deshalb versuche ich, so oft wie möglich anwesend zu sein – auch eine Art von Zuverlässigkeit. Oft erledige ich Dinge auf den letzten Drücker, was vielleicht an meinen offenbar nicht versiegenden Ideenreichtum liegt.


Achim Seiter hat eine eigene Agentur namens „3komma8“, ein „Unternehmen, das sich auf die Suche nach Sportemotionen macht“, wie es auf der Homepage heißt. Der ehemalige Schüler des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums arbeitete nach seiner Lehre zum Textilkaufmann 18 Jahre lang bei der Barmer Ersatzkasse, war dort unkündbar. Er kündigte aber „spontan und ohne Not“ nach dem ersten „mz3athlon“ und verlegte sich auf Moderationen. Der 59-Jährige „lebt viele christliche Ideale“ und organisierte 20 Jahre lang kirchliche Jugendfreizeiten. Der VfB-Fan mit einer Dauerkarte in der Cannstatter Kurve absolvierte selbst 20 bis 25 Marathons und elf Langdistanz-Triathlons und kickte in seiner Freizeitmannschaft „Mumpitz89“.

[Fotos: Pressefoto Baumann (3) & privat]