ZEITREISE | Als Jörg Roßkopf Europameister wurde
  17.09.2022


SPORT IM WANDEL lautet das Jahresmotto 2022 der SportRegion Stuttgart. In diesem Zusammenhang gibt es in diesem Jahr die Serie ZEITREISE. In der 38. Folge geht es um Tischtennis.

Interview mit Thomas Walter, dem Geschäftsführer von Tischtennis Baden-Württemberg

Was kommt Ihnen als Erstes in den Kopf, wenn Sie an die Tischtennis-EM 1992 in Stuttgart denken?
Der Jubel von Jörg Roßkopf nach dem Finalsieg gegen Jean-Michel Saive.

Waren Sie damals als Zuschauer vor Ort?
Ja, ich war an fast allen Tagen in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle sowie in der Molly-Schauffele-Halle, in der die unteren Team-Kategorien ausgespielt wurden. Einmal kamen mittags vom Daimler hunderte Zuschauer, die den kroatischen Volkshelden Dragutin Surbek anfeuerten.

Am Ende wurde Jörg Roßkopf Europameister – war damit zu rechnen?
Ja, Roßkopf war einer der Favoriten. Etwas höher eingeschätzt waren die schwedischen Weltmeister Waldner und Persson, aber man hoffte auf Roßkopf als Lokalmatador.

17 Jahre später fand erneut ein Tischtennis-Großereignis in Stuttgart statt – die EM. Den Ausschlag für den Zuschlag gab damals auch ein in Aussicht gestelltes großes Rahmenprogramm …
Tatsächlich gaben wir uns als Tischtennisverband Württemberg-Hohenzollern große Mühe, ein vielfältiges Rahmenprogramm mit täglich wechselndem Thema vor allem zum Schul- und Breitensport anzubieten. Das wurde sowohl bei der Vergabe als auch später bei der Durchführung von Politikern, Verbänden und der Stadt Stuttgart positiv bewertet. Schulklassen aus Ganztagesbetreuungs-AGs, Hobbyspieler, Bezirksauswahl-Mannschaften, Vereinsspieler von der Basis – im Carl-Benz-Center gab‘s täglich neue Angebote für die Bevölkerung, selbst zum Schläger zu greifen.

Auf die EM wurde mit einer großen Werbetour hingewiesen. Die Aktion „11-mal Aufschlag“ wurde gemeinsam mit der SportRegion Stuttgart durchgeführt. Wie kam diese Werbetour an?
Das war eine tolle Zusammenarbeit, an die ich sehr gerne zurückdenke. Wir erreichten damit die gesamte Stuttgarter Medienlandschaft und die der Region. Je nach Veranstaltungsort bei den elf Terminen berichtete die örtliche Presse ausführlich mit Foto. Besonders in Erinnerung bleibt der Tischtennis-Tisch, den wir auf den Stuttgarter Fernsehturm transportierten. Dort wurde ein Prominenten-Doppel gespielt. Die Idee, 1.000 Tischtennis-Bälle von dort „unter das Volk zu werfen“ wurde uns aber leider untersagt. Kurz gesagt: Wir erreichten mit dieser Werbetour genau die potenziellen Zuschauer der EM, die wir uns erhofft hatten, und konnten schließlich auf eine fast komplett ausverkaufte Europameisterschaft zurückblicken.

Am Ende gab es viele strahlende Gesichter – der sportliche Erfolge stellte sich ein und das Zuschauerinteresse war enorm …
Wie gesagt: 45.000 von 49.000 möglichen Eintrittskarten für die Tischtennis-EM-Woche wurden verkauft. Und die Zuschauer peitschten die deutschen Spielerinnen und Spieler nach vorne. Drei der sechs Titel blieben beim Gastgeber: Gold ging an das deutsche Herren-Team, an Wu Jiaduo im Damen-Einzel sowie an Timo Boll/Christian Süß im Herren-Doppel. Einziger Schönheitsfehler: Timo Boll unterlag im Einzel-Halbfinale dem späteren Sieger Michael Maze aus Dänemark.

Vor wenigen Wochen wurde Dang Qiu aus Frickenhausen-Linsenhofen Europameister. War dieser Erfolg vorhersehbar?
Der Sieg ist zunächst einmal eine große Überraschung. Die großen Namen Ovtcharov, Boll, Källberg und Moregaard hatte man Wochen zuvor eher auf der Rechnung. Aber dann kristallisierten sich auch Darko Jorgic aus Slowenien und Dang Qiu als mögliche Favoriten heraus, da sie die beste Form bei den internationalen Turnieren in den Wochen zuvor zeigten. Und dann qualifizierten sich genau diese beiden Spieler fürs Finale. Dang Qiu nutzte seine absolute Top-Form sowie die enthusiastische Unterstützung der 5.000 Zuschauer zum Sieg.

Sie haben seinen Werdegang hautnah verfolgen können …
Tatsächlich spielte und trainierte Dang Qiu schon als kleiner Junge in unserem Verbandsgebiet beim TTC Frickenhausen unter den Fittichen seines Vaters, einem ehemaligen chinesischen Nationalspieler. Zudem gehörte er dem baden-württembergischen Nachwuchskader an. 2009 war er Mitglied des Siegerteams Bezirk Esslingen beim oben angesprochenen Rahmenprogramm bei der EM. Da durften wir ihm in der Schleyer-Halle auch schon eine Goldmedaille um den Hals hängen. Schließlich traf Dang mit seinem Verein Frickenhausen zwei Jahre später in der 2. Bundesliga auf das von mir trainierte Team aus Stuttgart. Schon damals war erkennbar, dass er ein Großer werden kann.

Mit Annett Kaufmann aus Bietigheim-Bissingen stammt auch im weiblichen Bereich ein weiteres großes Talent aus der Region Stuttgart. Volker Ziegler aus Aidlingen-Lehenweiler wurde zudem zum „Tischtennistrainer des Jahres 2021“ gekürt. Worin sind diese Erfolge begründet?
Letztlich treffen immer zwei Komponenten zusammen. Zum einen stammen sowohl Dang Qiu als auch Annett Kaufmann aus sportverrückten Familien. Zum anderen benötigt es eine optimale Förderung. Die erhielt Dang Qiu zunächst von seinen Eltern und Annett Kaufmann beim TTC Bietigheim-Bissingen. Später nutzten beide auch die gute Trainings-Infrastruktur des Verbandes. Am Ende ist der letzte Sprung in die absolute Spitze aber vor allem vom eigenen Willen abhängig, den Sprung ganz nach oben zu schaffen. Das Beispiel Dang Qiu zeigt dies: Er war noch vor zwei Jahren im Alter von 23 Jahren ein „durchschnittlicher“ Bundesligaspieler, hat aber weiter hart an sich gearbeitet. Und was Volker Ziegler betrifft: Er war einer der Landestrainer Baden-Württembergs und ist jetzt Bundestrainer des Behindertensportverbandes. Das spricht allein schon für sich.

Sie sind Geschäftsführer von Tischtennis Baden-Württemberg, zu dem sich der württembergische und der südbadische Verband zusammengeschlossen haben. Was sind die Vorteile der Fusion?
Es sind die häufig zitierten Synergie-Effekte, die eine Professionalisierung über die Verwaltung hinaus ermöglichen. Die Themen Sportentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit sind zwei Beispiele für neue Möglichkeiten im Hauptamt. Dies ermöglicht dem neuen Verband und seinen Vereinen neue Angebote, um die Sportart Tischtennis zukunftsfähig zu machen. Konkret: Die Mitgliedergewinnung und -bindung wollen wir durch eine gute Darstellung der Sportart in unseren Medien, einen Imagegewinn der Sportart und Zusatzangebote im Freizeit- und Wettkampfsport forcieren.

Der Fachausschuss Engagementförderung von Tischtennis Baden-Württemberg hat sich viele Gedanken gemacht und die Spielzeit 2022/2023 unter das Motto „Jahr des Engagements“ gestellt. Was soll damit erreicht werden und was ist in diesem Zusammenhang alles geplant?
Der ehrenamtlichen Tätigkeit in unserem Sport soll eine „Bühne“ bereitet werden. Engagierte können Preise gewinnen, werden in Porträts und Videos der Tischtennis-Öffentlichkeit vorgestellt und neue Ideen des Gemeinsinns im Ehrenamt sollen Vereinen Chancen aufzeigen, wie sie ihre Mitarbeiter begeistern. Im Rahmen des Vereins-Service-Tag im Juni 2022 sind wir mit einer Podiumsdiskussion gestartet. Im Juni 2023 wollen wir dann bei der gleichen Veranstaltung die Ergebnisse dieses „Jahres des Engagements“ präsentieren. Im Mittelpunkt sollen dabei mögliche Maßnahmen, Aktionen und Ideen stehen, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit des Ehrenamts in den Vereinen versprechen. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Mehr Infos: https://youtu.be/-O6psKFX_AEundhttps://youtu.be/Kbsrw63uBeo und https://youtu.be/4M8g99AsnhA