Trikotsammlung | Folge 7: Die "Gelbe Wand"
12.07.2025
SPORT UND KULTUR lautet das Jahresmotto 2025 der SportRegion Stuttgart. In diesem Zusammenhang gibt es gleich vier Online-Serien. In der 7. Folge der Serie „Trikotsammlung“ geht es um den SV Plüderhausen.
Folge 7: Die „Gelbe Wand“
Fällt im Sport der Begriff „Gelbe Wand“, so ist im Allgemeinen die Südtribüne des Signal Iduna Parks, des Stadions der Dortmunder Borussia, gemeint. Die „Gelbe Wand“ gilt dort als das Symbol für unermüdlichen Enthusiasmus, Harmonie und Fankultur. Doch auch im Tischtennis sorgte die „Gelbe Wand“ jahrelang für Aufsehen: Gemeint waren in diesem Fall die Fans des SV Plüderhausen.
Erstmals machte sich die „Gelbe Wand“ des SVP am 27. Dezember 2008 in Deutschland einen Namen. Trotz eines überragenden Timo Boll konnte Borussia Düsseldorf in jenem Jahr seinen Pokaltitel nicht verteidigen und musste dem krassen Außenseiter SV Plüderhausen überraschend den Vortritt lassen. Die Rheinländer scheiterten beim Final Four in Hannover vor knapp 4.200 Zuschauern in der TUI-Arena bereits im Halbfinale mit 2:3 an Werder Bremen und verfehlten damit ihren 19. Cup-Erfolg. Das Endspiel gewann Plüderhausen dann mit Leung Chu Yan (Hongkong), Jacub Kosowski (Polen) und dem Serben Aleksandar Karakasevic gegen Werder Bremen mit 3:1 und sorgte mit seinem ersten nationalen Titel für die größte Überraschung im deutschen Vereins-Tischtennis seit vielen Jahren. Die Anhänger des Clubs aus dem Remstal – alle in knallgelben T-Shirts gewandet – trugen damals nicht unwesentlich zu diesem Erfolg bei, peitschten ihr Team nach vorne und sorgten für eine Riesenstimmung – der Begriff „Gelbe Wand aus Plüderhausen“ war geboren.
Dem SV Plüderhausen, 1999 in die stärkste Liga Europas aufgestiegen, gelang mit dem Gewinn des ETTU Nancy Evans Cups 2002 eine Sensation und ein erster Achtungserfolg. 2005 folgte nach Fehlern im Lizenzierungsverfahren der Zwangsabstieg, aber entgegen früherer Ankündigungen, im Fall eines Abstiegs die Profimannschaft vom Spielbetrieb abzumelden, ging Plüderhausen in die Zweite Liga und trat auch international an. Das Team um Aleksandar Karakasevic schaffte in der Saison 2005/2006 den direkten Wiederaufstieg und erreichte erneut das ETTU-Cup-Finale. Dort bezwangen die Remstäler den Bundesligisten Müller Würzburger Hofbräu, der damals Leung Chu Yan – er spielte später für den SVP – in seinem Team hatte. 2009 gewann man in einem denkwürdigen Finale gegen Victoria Moskau zum dritten Mal den ETTU Nancy Evans Cup. Nach der 1:3-Niederlage in der eigenen Hohberghalle ging das Final-Rückspiel als „Wunder von Moskau“ in die Vereinshistorie ein, denn in der russischen Hauptstadt entriss der SVP mit Jacub Kosowski, Leung Chu Yan und Aleksandar Karakasevic – Trainer war Momcilo Bojic – den Russen den schon sicher geglaubten Titel durch einen 3:0-Kantersieg. Noch heute schwingt ein wenig Genugtuung in den Erzählungen mit, als kleiner Verein das große Moskau in die Schranken gewiesen zu haben. Und immerhin: Der SVP hat als einziges Team in der Geschichte des ETTU-Cups den Titel dreimal geholt!
Blickt man auf die Liste der Spieler, die sich in der Hohberghalle zwischen 1999 und 2014 die Klinke in die Hand gaben, so fällt auf, dass der kleine Verein absolute Hochkaräter verpflichten konnte. Ausrüster des Bundesliga-Teams war der Sportartikelhersteller DONIC, der viele schwedische Topspieler unter Vertrag hatte. Durch den engen Kontakt zu Geschäftsführer Frank Schreiner fanden unter anderem Peter Nilsson, Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson, Robert Svensson oder auch Torben Wosik den Weg nach Plüderhausen. Natürlich habe man bei der Akquise darauf geachtet, dass die Spieler menschlich gut passten, meinte damals Sportkoordinator Ulrich Engele, der zusammen mit Manager Geritt Albrecht die Fäden in der Hand hatte. Obwohl sie bei Publikumsliebling Aleksandar „King Kara“ Karakasevic anfangs etwas skeptisch gewesen seien. Doch der Linkshänder – Mixed-Europameister 2000, 2005 und 2007, im Dezember 2006 mit seiner besten Platzierung 32. der Weltrangliste, zwölfmaliger WM-Teilnehmer, zehn Mal bei einer EM und dreimal bei Olympischen Spielen am Start – habe sich dann so gut integriert, dass sie ihn nie wieder abgeben wollten.
Die Tischtennisabteilung des 1949 gegründeten Sportvereins Plüderhausen – er ging aus dem 1893 entstandenen Turn-Verein Plüderhausen sowie dem 1912 abgespaltenen Arbeiterturnverein Plüderhausen hervor, beide Vereine wurden aber nach dem Ersten Weltkrieg wieder vereint – war 1994 und 1997 Deutscher Meister bei den Senioren. Heute spielt die erste Herren-Mannschaft in der Oberliga Baden-Württemberg, insgesamt sind sieben Herren-, drei Jungen- und zwei Mädchenmannschaften sowie ein Senioren- und ein Damen-Team für den SVP aktiv. Und alle treffen sich immer noch in der gleichen Halle wie damals zu Bundesligazeiten, an den Tischen, an denen einst Olympiasieger geschwitzt haben. „Ich glaube, den Kindern ist das gar nicht so richtig bewusst“, so Abteilungsleiter Helmuth Klein. Er hat die Entwicklung seines SV Plüderhausen vom kleinen Dorfclub bis an die Spitze Europas fast von Anfang an miterlebt.
Mehr Infos: https://youtu.be/0Tj-pLKPspA?si=0DaC9cj-MAj2oC7u


