TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 5
  28.07.2024


Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.

Folge 5: Dabei sein ist alles  

Dabei sein ist alles, ist so ein abgenudelter Ausspruch, wenn es um Olympia geht. Der im Grunde aber natürlich stimmt. Soooo viele Athleten schaffen es ja nicht zu den Wettkämpfen der Jugend der Welt. Und für die, die es geschafft haben, gibt es nur wenig Medaillen zu gewinnen. Und die Nationen, die den Sport oder die jeweilige Disziplin nicht fördern, bekommen eben noch weniger Medaillen. Aber darauf will ich jetzt gar nicht hinaus.

Mir geht es nämlich darum: NICHT dabei sein ist alles.
Nämlich bei der Eröffnungsfeier.
Das ist mein Motto.
Aus Gründen.

Was sich bei Paris 2024 früh abzeichnete, war ein gigantischer Kampf um die Sicherheit der Teilnehmer. Lange Anreise, Kontrollen, Polizei und Armee in höchster Konzentration und bei martialischem Auftreten.

Die Journalisten- und Fotografenplätze waren streng limitiert.
Zehrende Schulungen im voraus nötig.
Um dann, was keiner ahnen konnte, (und offenbar auch bei den Veranstaltern niemand in Betracht zog), ungeschützt im Regen zu sitzen. Stundenlang.

Nicht dabei sein, ist alles.

Vorausahnend, das die Teilnahme an der Eröffnungsshow durchaus kompliziert werden könnte, entschied ich, wie einst in Rio 2016 gemeinsam mit der Beachvolleyballerin Britta Büthe, die Eröffnungsfeier gemütlich im Deutschen Haus zu verfolgen. Nun ja. Bis ich dann letztendlich drin war, hat es – nach Akkreditierung, Schwierigkeiten dabei, erneuter Akkreditierung, dann erneuter Sicherheitskontrolle durch freundlich deutsche Polizisten – doch auch 90 Minuten gedauert, bis ich drin war. No problem, am ersten Öffnungstag läuft eben noch nicht alles rund.

Bin ich denn schon drin, oder was? Ich bin drin!

Und da gibt es das große Aha-Erlebnis.

Was heißt hier Deutsches Haus!
Ein ganzes Stadion hat das TeamDeutschland vor Ort eingenommen!
Auf dem (Rugby-)Spielfeld die riesige Bühne für Livebands und Stream, davor zahlreiche Mitmach-Angebote, oder Zonen zum Ausruhen und Rumfläzen. Hier hat jedermann Zutritt für einen Obolus von 20 Euro.

Und im Businessbereich des Rugby-Clubs SF Paris im Stade Jean-Bouin gibt es für Athleten, geladene Honoratioren, Sponsoren und täglich 60 Journalisten eine erstklassige Verpflegung, Interviews, und allerlei Chi-Chi. Die Athleten selbst haben in einem weiteren, abgesperrten Bereich, noch zusätzlich einen temporär aufgebauten Kraftraum zur Verfügung, eine Sauna und andere Möglichkeiten, sich einmal total auszuklinken und zurückzuziehen. Und feiern im Deutschen Haus im besten Fall eine rauschende Medaillenparty.

So sieht’s aus. Die Zeit vergeht wie im Flug. Gegen 19 Uhr wird es dann ein wenig unruhig, denn viele fleißige Hände decken das Buffet auf für das gemeinsame Abendmahl.

Ganz gschamig-zurückhaltender Gast natürlich bin ich unter den ersten 20, 30, bevor die Schlange ewig lang wird. Gemeinsam (wie die Orgelpfeifen) hinter Fußballweltmeister Thomas „Icke Häßler“ und seinem Sohn.
Also 208 cm, 166 cm und geschätzte 140 cm.
Was dort aber nicht weiter auffällt. Denn mit in der Schlange tummeln sich auch die Handballer Oliver Roggisch (202 cm) und Andy Wolff (198 cm), die zu ihrer Größe auch noch eine muskulär bedingte Breite mitbringen. Und irgendwo war auch Reck-Star Fabian Hambüchen (163 cm). Den hab ich aber aus den Augen verloren…

Zusammengefasst also der ideale Platz für die Eröffnungsfeier.

  • Vorteil 1: Oberamtliche Speisen und Getränke
  • Vorteil 2: Ganz aktuell: Dach überm Kopf

Aber irgendwas is ja immer.
Kommen wir also zu den Schattenseiten.

Zum einen, sind dies individuelle Personen unter all den Anwesenden. Menschen nämlich, die man kennt, rein zufällig vor Ort trifft, und sich dann verquatscht. Kolumnen-Kollege Benni Lau zum Beispiel. Oder Hannes Haßpacher, Medien-Chef des Schwäbischen Turnerbunds.

Und man dann eben doch nicht so viel auf den Bildschirm schaut.

Zum anderen ist es der Zeitplan. Denn am nächsten Morgen beginnt für mich das Volleyball-Turnier. Photographer-Briefing 7.30 Uhr. Anreisezeit ca. 65 bis 75 Minuten, je nachdem, wie schnell ich am frühen Morgen laufen kann.

Also bin ich, trotz Hefeweizen vom Fass, die Vernunft in Person und verlasse das Deutsche Haus, äh, Stadion, frühzeitig.

22:30 Uhr. Der Olympische Eid ist noch nicht gesprochen, die Olympische Flagge (falschrum) noch nicht hochgezogen. Ich stehe im Nieselregen an der Bushaltestelle der Linie 52 und beginne den Transport von mir selbst ins Hotelbett.

23:45 Uhr. Licht aus. Matratzenhorchdienst.

Der um 0.28 Uhr jäh beendet wurde.

Beide Rauchmelder piepsen mir nen Tinnitus.
Und hören nicht auf.
Ich stolpere durchs Zimmer, greife Geldbeutel, Smartphone und Akkreditierung, und begebe mich den allgemeinen Evakuierungsweg nach unten, direkt in die Hotellobby.
Dort sammeln sich verstört dreinschauende Menschen aller Couleur, und, nun ja, auch der späten Tageszeit geschuldet, in entsprechender Verfassung. Und Kleidung.

Die sich die Ohren zu halten.

Dazu die lustigen Noch-nicht-im-Bett-Gewesenen an der Hotelbar, die angesichts der illustren Gesellschaft ihr Handy zücken und die verschlafenen, unfrisiert und ungeschminkten Erscheinungen filmen. Nach ein paar Minuten ist der Spuk zu Ende. Der diensthabende Nachtportier hat dies mit der bereits vor dem Hotel parkenden Polizei besprochen. Wir dürfen wieder in die Betten, bzw. wie die Kollegen, einfach weiter an der Bar sitzen bleiben.

Aber wirklich: Nicht dabei sein, wäre jetzt alles gewesen.

Tom Bloch

Alle Folgen der Serie: https://www.sportregion-stuttgart.de/tom-und-benni-in-paris