TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 4
  26.07.2024


Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.

Folge 4: Why does it always rain on me

Es ist 3 Uhr in der Nacht und ich stehe im Regen von Paris. Morgen findet die Eröffnungsfeier statt, und in meinen Ohren höre ich unaufhörlich dieses ultralaute, kopfzermarternde Piepsen, das direkt aus der Hölle zu kommen scheint. Ich habe meine LA-Lakers-Schlafanzughose an und ein T-Shirt welches mir meine Kinder bemalt haben. Seit 25 Minuten stehe ich da, mitten auf den Straßen von Paris. Ich schaue in den Himmel, und lasse den Tag nochmal Revue passieren.

Rückblick: Ziemlich genau 24 Stunden zuvor habe ich mich von meiner Frau verabschiedet und bin mit dem Auto von Großbettlingen aus in mein Paris-Abenteuer aufgebrochen. Ich will unbedingt früh da sein – so gibt es bei den Olympischen Spielen doch einiges zu regeln, bevor man dann zum Fotografieren an die Box gehen darf.

Als ich um 9 Uhr in den Vororten von Paris ankomme, beginnt auf der Autobahn auch schon der Stau. Während ich auf meiner 08/15-Spur langsam die nächste Toilette herbeisehne, brettern auf der Spur links von mir im Minuten-Takt irgendwelche schwarze Limousinen vorbei, eskortiert von Polizei mit Autos und Motorrädern und natürlich Blaulicht und Sirene. Diese fahren auf einer eigens gesperrten Fahrbahn, welche nur für PARIS 2024 gesperrt wurde.

Näher am Zentrum fallen mir dann als erstes die vielen Soldaten und Polizisten in der Stadt auf. An vielen Kreuzungen nahe den Spielstätten stehen Dutzende Bewaffnete, mit Maschinengewehr im Anschlag und Finger am Abzug; bereit, das Schlimmste zu verhindern.

Um 11 Uhr komme ich schließlich müde im Süden von Paris an. Dort erlebe ich den ersten Schock! Der gebuchte Parkplatz in der Tiefgarage wird von der Polizei gebraucht. Kein Problem! Vor dem Hotel gibt es auch Parkplätze. Auf Nachfrage stellt sich allerdings heraus, dass diese 5-Mal so teuer sind wie mein ursprünglicher Platz. Welch ein Ärger, hatte ich mich doch gerade wegen den günstigen Parkmöglichkeiten für eine Reise mit dem Auto entschieden. Da hätte ich ja gleich mit dem Taxi kommen können!

Hotel und Parken sind also erstmal abgehakt, Der nächste Anlaufpunkt ist also die Wettkampfstätte gleich um die Ecke. Hier darf ich noch ein wenig beim Spiel unserer Handball-Damen gegen Südkorea mitfiebern. Ein wirklich spannendes Match, bei dem unsere Mädels am Ende doch noch eine unerwartete 22:23 Niederlage hinnehmen müssen.

Also weiter ins Pressecenter der Paris Süd Arena auf dem Messegelände. Eine große Halle mit vielen Absperrbändern und noch mehr freundlichen Volunteers. Hier kann ich den gültigen Presseausweis abholen und dann geht es ab ins Hotel. Während sich meine Asia-Nudel-Snack (zwei Pfefferschoten) gerade seine vorgeschriebenen 3 Minuten Zeit nimmt, habe ich die Zeit meinen Presseausweis etwas genauer zu begutachten. Hierauf sind jede Menge Abkürzungen vermerkt.

  • EPs | bedeutet Sportartbezogen (bei mir Tischtennis)
  • 4 | bedeutet Pressebereich
  • MPC | bedeutet Zugang zum Main Press Center in der Innenstadt
  • TC | Transport, also freie Fahrt in ganz Paris

Aber was bedeutet TKW? Ich öffne meine Lupen App am Handy schaue im Superkleingedruckten auf der Rückseite nach. Schock. TAEKWONDO? Das kann nicht sein! Ich lasse meine Nudeln stehen und eile im Sprint zurück zum Pressecenter an der Venue. Nach einigem hin und her stellt sich heraus, dass hier auf die Schnelle nichts zu machen ist, und ich auf jeden Fall Hilfe brauche, und so verbringe ich die nächste Stunde am Telefon und frage nebenher schonmal Google nach den Regeln beim Taekwondo. Das darf doch nicht wahr sein. Zum Glück habe ich viele freundliche Menschen vom Deutschen Olympischen Sportbund an der Leitung, die nun versuchen aus TKW ein TBT zu zaubern. Allerdings ist die Aussage erstmal: versprechen können wir nichts! Ich muss mich also bis zum nächsten Tag gedulden. Quelle merde!

Oh man, und dann habe ich ja auch noch diese Einladung zum Fotografen-Treffen! In der Mail steht: „Dies ist eine großartige Gelegenheit, sich mit Kollegen aus aller Welt zu treffen, bei Getränken und Essen inmitten der Wunder eines der verborgenen Juwelen von Paris – einem Jahrmarktsmuseum, dem Musée des Arts Forains. Nehmen Sie teil am Spaß der Jahrmarktsspiele und Attraktionen der Jahrhundertwende.“ Zudem wollte ich mich dort mit meinem Kolumnen-Partner Tom treffen. Hilft ja alles nichts. Heute kommen eh keine Neuigkeiten mehr rein, und schlafen kann ich ja später noch. Also ab in die Metro!

Eine Stunde später am Musée des Arts Forains angekommen bietet sich mir ein traumhaftes Ambiente. Plötzlich finde ich mich inmitten eines riesigen Jahrmarkts aus uralten Zeiten wieder. Und aus all den Attraktionen, Karussells und antiken Kulissen ragt einer schon von weitem Heraus – Tom.

Ich freute mich unheimlich, es doch noch hierher geschafft zu haben und mich mit vielen bekannten Fotografen und all den „Alten Hasen“ aus aller Welt austauschen zu können, Geschichten von vergangenen Spielen zu hören und mir auch den ein oder anderen Tipp abzuholen. Ich komme mir etwas vor wie als Kind am ersten Tag auf einer neuen Schule. Dies ist sicher ein schöner Abschluss für einen chaotischen Tag, der nach einer langen Metrofahrt ans andere Ende der Stadt totmüde um 1 Uhr nachts endet.

Und so stehe ich nun, nach kurzem Schlaf, wie zu Beginn dieser Kolumne geschrieben im Regen von Paris. Zwischen all den Leuten in Ihren Schlafanzügen suche ich die Fenster nach Rauch ab. Das brutale, schmerzhafte Piepsen des Feueralarms verursacht fast schon körperliche Schmerzen, oder habe ich etwa Tinnitus? Trotz alledem kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es ist schon lustig, was sich der ein oder andere im Halbschlaf so alles Wichtige mitgenommen hat. Eine Frau im Kleid und gemachten Haaren steht mit Sonnenbrille neben einem fast nackten Mann. Ich bin mit gerade nicht mehr sicher. Meine Gedanken kreisen. Zum Glück wird heute für mich doch noch ein Parkplatz gefunden. Inzwischen habe ich auch die Nachricht, dass der Fehler auf der Akkreditierung ohne Probleme korrigiert werden kann. Nach einer guten halben Stunde präsentiert uns die Feuerwehr einen defekten Wasserkocher und beendet den Alarm, und sogar die Handballdamen haben noch eine Chance auf die Finalspiele. Alles gut also! Jetzt können die Spiele wirklich beginnen!

Benni Lau