TOM UND BENNI IN PARIS | Folge 15
  07.08.2024


Bei den Olympischen Spielen in Paris hat die SportRegion Stuttgart gleich zwei Sportjournalisten vor Ort – Tom Bloch und Benjamin Lau berichten in der Kolumne TOM UND BENNI IN PARIS exklusiv aus der französischen Hauptstadt. Für den Sportfotografen Benni Lau sind es die ersten Olympischen Spiele, Kollege Tom Bloch war bereits in Rio de Janeiro und in Tokio am Start. Täglich erzählen die beiden über ihre Erlebnisse in der Weltstadt an der Seine im Ausnahmezustand.

Folge 15: Allumer Le Feu – Zünde das Feuer an

Also, wir Deutschen wollen ja unbedingt auch mal wieder dran sein und Olympische Spiele in unserem Land ausrichten. Jetzt hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in Person seines Präsidenten Thomas Weikert gemeinsam mit Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser sogar ein Memorandum unterzeichnet, stilecht im Deutschen Haus, während der Spiele in Paris.

Lassen wir mal weg, dass in der Erklärung der Ministerin Faeser auch schon wieder Deutschlands heilige Kuh König Fußball vorkommt, der im olympischen Reigen eher eine kleinere Rolle spielt. Aber, um eine Sportnation zu sein, braucht es wirklich mehr Einsatz und Förderung, als alle vier Jahre auf den Medaillenspiegel zu schauen und hernach zu diskutieren, warum man erneut nur eine hintere Platzierung eingenommen hat.

Den wichtigsten Punkt, den Faeser angesprochen hat, ist die Begeisterung. Und da hat sie vollkommen recht.

Die Einwohner Paris wollen Olympia, das spürt man hier überall. Ob Volunteer oder einfacher Bürger, alle leben Paris 2024. Aus jeder Pore. Keine Straßenzug in der Metropole, in dem nicht irgendwo das Logo der Spiele zu entdecken ist.

Sobald man mit einer Akkreditierung um den Hals in der Stadt unterwegs ist, wird man angelächelt. Und kaum bleibt man stehen und schaut etwas verloren, wird einem sofort geholfen, der Weg erklärt oder darauf hingewiesen, dass Taschendiebe unterwegs sind und man auf seine sieben Sachen aufpassen solle.

Wir sind das Volk, heißt es bei uns gerne. Ja, das Volk muss es wollen. Die Begeisterung für so ein Sportereignis muss von den Bürgern ausgehen.

Und natürlich müssen gleichzeitig Sportler auf dem Weg dorthin unterstützt und gefördert werden. Was da alles bei uns im Argen liegt, wird seit Jahren eher diskutiert als geändert.

Frankreich hat seit seiner Nominierung über Jahre hinweg große Summen in die Sportförderung gesteckt, was sich jetzt schon vor dem Ende der Spiele im Medaillenspiegel ausgewirkt hat – wenn man sich dieses Argumentes bedienen möchte. Gleichzeitig wurde der Schul- und Breitensport gefördert bzw. ausgeweitet, Spiel- und Sportplätze renoviert oder neu errichtet. Ja, es wurde ein Hype gestartet.

Wir sind das Volk: Die letzten schwarz-rot-goldenen Bewerbungen für Olympia sind genau daran gescheitert. Die Bürgerentscheide in München 2013 für die Winterspiele 2022 sowie in Hamburg 2015 für die Sommerspiele 2024 haben eine deutliche Sprache gesprochen. Der Dämpfer hat lange Jahre gewirkt, lässt aber langsam nach.

Schon bei den großartigen European Championships in München 2022 wurde jeder Sportler im Interview darauf angesprochen, ob es nicht toll wäre, wieder mal Olympische Spiele in Deutschland zu haben. Nur muss man das „Wollen“ eben auch wollen.

Leider wurde jetzt, um beim Fußball zu bleiben, ein Ball einfach auf dem Elfmeterpunkt liegen gelassen: Wenige Tage nach der Unterzeichnung des oben genannten Memorandums war der Herr der Ringe, IOC-Präsident Dr. Thomas Bach, höchstpersönlich kurz Gast im Deutschen Haus. Dazu zahlreiche internationale Vertreter des Internationalen Olympischen Kommitees (IOC), also des Gremiums, das über die Vergabe von Spielen entscheidet.

Auf derselben Bühne, auf der Nancy Faeser gemeinsam mit dem DOSB wenige Tage zuvor das Memorandum unterzeichnet hat, steht Thomas Bach sowie ein paar Vorzeigesportler wie Beachvolleyball-Legende Laura Ludwig oder Alaa Maso aus Syrien, ein Vertreter des Olympischen Flüchtlingteams. Aber: kein einziges Wort über eine deutsche Bewerbungsabsicht kommt den DOSB-Vertretern über die Lippen. Nur ein paar Nettigkeiten werden ausgetauscht. So, als ob man dem Herrn Bach, der ja nicht nur allmächtiger IOC-Präsident, sondern schließlich auch Deutscher ist, nicht in Verlegenheit bringen wolle – aufgrund seiner Nationalität.

Die breite Brust, die fehlt. Ein Wir sind das Volk fehlt auch bei den Anfeuerungsgesängen in den Stadien.

Deutschland! Klatsch, klatsch, klatsch.
Deutschland! Klatsch, klatsch, klatsch.
Deutschland! Klatsch, klatsch, klatsch.

Lahmer geht es nicht.

Die Franzosen singen. Aus voller Kehle. Ganze Stadien bilden Chöre. Und die meisten sind text- und melodiesicher.

Das rockige „Allumer Le Feu“ von Johnny Hallyday lässt einem jedes Mal Gänsehaut wachsen, bei 36° Grad im Schatten.

Bei den Anfeuerungen „Allez les Bleus“ vibriert das Stadion. Selbst das weniger einfallsreiche „U-S-A“, reißt sofort jeden anwesenden Amerikaner mit. Und ja, oft wird das gegnerische Team auch ausgepfiffen. Darüber lässt sich streiten. Aber, auch das ist Begeisterung.

Deutschland! Klatsch, klatsch, klatsch. Ein bisschen mehr Einfallsreichtum schaffen wir vielleicht gerade mal im Fußballstadion.

Laut Memorandum favorisiert die Bundesregierung das Jahr 2040 für die Spiele in Deutschland – 50 Jahre nach der deutschen Einheit.

Bis dahin ist ja noch viel Zeit. Bis dahin ist eigentlich kaum noch Zeit.

Allumer Le Feu.

Tom Bloch

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