Studie | Zwischenergebnisse bei "SicherImSport"
  04.11.2021


Bei dem im August 2020 begonnenen und bundesweit ersten Breitensport-Forschungsprojekt „SicherImSport“, gefördert vom Landessportbund NRW und unter Beteiligung des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW) und der drei Sportbünde (Badischer Sportbund Freiburg, Badischer Sportbund Nord, Württembergischer Landessportbund) sowie weiterer neun Landessportbünden, liegen den Verantwortlichen nach Abschluss der umfangreichen Datenerhebung von fast 4.400 befragten Vereinsmitgliedern konkrete Zwischenergebnisse vor: „Die Befunde unserer Online-Studie bestätigen, dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt auch im Vereinssport vorkommen. Deshalb sind der Ausbau von Maßnahmen zum Schutz vor Belästigung und Gewalt sowie Anlaufstellen und Unterstützungsangebote für Betroffene im Sport wichtig - dies hat ein großer Teil der Sportverbände erkannt und Maßnahmen zur Prävention eingeführt“, betonen Prof. Dr. Bettina Rulofs (Bergische Universität Wuppertal) sowie Dr. Marc Allroggen und Dr. Thea Rau (Universitätsklinikum Ulm) als wissenschaftliche Projektleitung. Nach den Aufsehen erregenden Ergebnissen der „Safe Sport“-Studie zum Leistungssport aus dem Jahr 2016 werten die Forscher*innen nun erstmals Daten ausschließlich zum Breitensport aus - die größte Untersuchung zu diesem sensiblen Thema in Deutschland soll bis zur Jahresmitte 2022 abgeschlossen sein. „Dieser Schritt ist überfällig, damit wir die bereits etablierten Präventions- und Interventionskonzepte weiter entwickeln können“, sagt LSVBW-Präsidentin Elvira Menzer-Haasis.

So gab die Mehrheit der Befragten zwar an, mit dem Vereinssport insgesamt „allgemein gute bis sehr gute Erfahrungen“ gemacht zu haben, doch etwa ein Viertel der Vereinsmitglieder (rund 26 Prozent) erfuhr mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen oder Belästigungen (ohne Körperkontakt) im Kontext des Vereinssports, beispielsweise in Form von anzüglichen Bemerkungen oder unerwünschten Text-/Bildnachrichten mit sexuellen Inhalten. Bei rund 19 Prozent kam mindestens einmal sexualisierte Belästigung oder Gewalt mit Körperkontakt vor, zum Beispiel sexuelle Berührungen oder sexuelle Handlungen gegen den Willen. Auch weitere Formen der Verletzung oder Gewalt wurden in der Studie erhoben. So antworteten immerhin 64 Prozent der Personen, mindestens einmal emotionale Verletzungen oder Gewalt im Vereinssport erlebt zu haben, also beschimpft, bedroht oder ausgeschlossen worden zu sein – und mehr als jeder Dritte (37 Prozent) nannte mindestens einmal körperliche Verletzungen oder Gewalt, in Form von geschüttelt oder geschlagen werden. Auch erwähnenswert: Je höher das sportliche Leistungsniveau, desto größer offenbar das Risiko, von Belästigung oder Gewalt betroffen zu sein. So berichten gleich 84 Prozent der Befragten, die auf internationaler Ebene im Leistungssport aktiv waren, von mindestens einer Erfahrung von Belästigung oder Gewalt - dies trifft im Vergleich „nur“ auf 53 Prozent derjenigen zu, die im Freizeit- oder Breitensport aktiv waren.

In einer weiteren Teilstudie äußerten sich über 300 Sportorganisationen (92 Sportkreise sowie 215 Fachverbände in fünf Bundesländern) zum Stand der Prävention und Intervention innerhalb der eigenen Strukturen. Dabei gaben 63 Prozent der Sportkreise und 56 Prozent der Fachverbände an, über fundierte Kenntnisse zur Vorbeugung von sexualisierter Gewalt zu verfügen. Allgemeine Präventionsmaßnahmen wie z.B. die Benennung von Ansprechpersonen, Durchführung von Schulungsmaßnahmen oder Einsicht von Führungszeugnissen sind demnach weit verbreitet. Risikoanalysen oder Konzepte zur Aufarbeitung von Vorfällen sind allerdings lediglich in nur einem Zehntel der Verbände vorhanden, die bei der Beratung zum Umgang mit Verdachtsfällen oder Vorfällen größten Unterstützungsbedarf haben.

„Trotz aller Bemühungen und umfassenden Konsequenzen, die in der Vergangenheit bereits gezogen wurden, ist das Ergebnis der Studie erschütternd“, sagt Menzer-Haasis. Die LSVBW-Präsidentin wirbt eindringlich dafür, dieses sensible Thema bei Sportvereinen und -verbänden weiter präventiv aufzugreifen. Neben

Beratungen finden zahlreiche Sensibilisierungen beziehungsweise Qualifizierungsmaßnahmen im Freizeit- und Breitensport vor Ort statt. Die jährlich steigende Nachfrage zeigt, dass die Prävention vor sexualisierter Gewalt an der Basis sehr ernst genommen wird. Auch in den Trainer- und Übungsleiterausbildungen sowie in den Einführungsseminaren der Freiwilligendienste im Sport steht eine Sensibilisierungseinheit im Curriculum.

Der LSVBW und die drei Sportbünde sind sich ihrer Verantwortung bewusst und haben sich die Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt auf die Fahnen geschrieben. Sie thematisieren dies in allen Bereichen des organisierten Sports in Baden-Württemberg und leben eine Kultur des Hinsehens und Aktiv-Werdens auf allen Ebenen. So geht der LSVBW als Arbeitgeber mit einem eigenen Schutzkonzept und klarer Positionierung für alle Angestellten mit gutem Beispiel voran.

Die Ergebnisse der Studie „SicherimSport“ nimmt LSVBW-Präsidentin Menzer-Haasis als Auftrag weiter an diesem Thema zu arbeiten: „Der Prävention der sexualisierten Gewalt ist noch nicht genüge getan, weshalb die bestehenden Maßnahmen weiter ausgebaut werden müssen. Der Sport muss ein sicherer Ort für alle sein.“

Mehr Infos: https://www.lsb.nrw/unsere-themen/gegen-sexualisierte-gewalt-im-sport/forschungsprojekt-sicherimsport

Quelle: Landessportverband Baden-Württemberg

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