SPORTPSYCHOLOGIE | Dr. Martin Emrich
  25.01.2023


Im Sport setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass psycholgischen Aspekten eine wichtige Bedeutung zukommen sollte. Daher wirft die SportRegion im Jahr 2023 ein Schlaglicht auf dieses Gebiet. In der Rubrik SPORTPSYCHOLOGIE kommen Sportpsychologinnen und Sportpsycholgen zu Wort, die sich jeweils mit einem Teilaspekt auseinandersetzen. In der 2. Folge ist Dr. Martin Emrich dran.


Thema: Gewonnen wird im Kopf – Hypnose im Spitzensport

Hypnose? Au weia, denken jetzt vielleicht einige Leserinnen und Leser. Jetzt kommt bestimmt das Esoterischste und das Gefährlichste, was die Sportpsychologie zu bieten hat!

Hm, naja, zumindest gefährlich ist die Methode „Hypnose“ ganz bestimmt. Ich vergleiche sie gerne mit einem Messer oder mit einem starken Medikament: ich kann damit großen Schaden anrichten, oder extrem Sinnvolles bewirken. Die Methode  per se ist dadurch nicht böse oder gut, sie muss nur professionell und auf der Basis einer klaren Ethik verwendet werden.

In meinem Beitrag möchte ich aufzeigen, wie ich als Hypno-Coach mit der Intervention „Hypnose“ in der Praxis arbeite. Dazu kläre ich zunächst präzise auf, was Hypnose ist und wie ich einen Klienten in eine Hypnose versetzen kann. Im zweiten Teil möchte ich durch einen praktischen Fall demonstrieren, wie ich mit Hypnose in einem Coaching den entscheidenden Durchbruch geschafft habe. Der Fall beschreibt meine Arbeit in einer Einzel-Session mit einem Basketball-Nationalspieler.


Teil 1: Was ist Hypnose?

Wie bekomme ich meinen Klienten in die Hypnose? Grundsätzlich ist es so, dass circa ein Drittel der Menschheit nur sehr schwierig oder gar nicht hypnotisierbar ist. Ein weiteres Drittel ist sehr einfach in Trance zu führen. Bei dem „mittleren Drittel“ hingegen, hängt es von der Technik des Hypnotherapeuten ab, ob eine Trance-Induktion gelingt.

Wichtig für eine gelungene Hypnose ist zunächst einmal die Bereitschaft des Klienten, sich auf diese Methode einzulassen. Mit Hilfe des Eisberg-Modelles mache ich deutlich, dass es neben dem bewussten Verstand (der „Ration“) auch noch ein unterbewusste Ebene gibt. Wie bei einem Eisberg ist die unterbewusste Ebene häufig nicht sichtbar (=unter Wasser), beeinflusst aber massiv unser bewusstes Verhalten.

Im Folgenden frage ich meinen Klienten, ob er Lust hat, diese un(ter)bewusste Ebene zu nutzen, um sein Problem zu lösen.

Ist das „placet“ des Klienten eingeholt, beginnt die eigentliche Trance-Induktion. Hierzu setzte ich meine Kunden gerne in einen bequemen Fernseh-Sessel. Mein Text, den ich mit langen Pausen und mit immer langsamerer und ruhigerer Stimme spreche, lautet meist wie folgt:

„Mache es Dir auf dem Stuhl bequem. Sehr gut. Du kannst jederzeit Deine Sitzposition verändern, so dass Du Dich vollkommen wohl fühlst. Deine Augen kannst, Du wenn Du magst, sofort oder auch erst später schließen, um ganz bei Dir zu sein. Jetzt hast Du die Möglichkeit, Dich auf Deine Atmung zu konzentrieren. Atme entspannt ein und aus. Genau. Um Dich noch besser zu fokussieren kannst Du jetzt voller Leichtigkeit und Neugierde Deine Aufmerksamkeit in die Richtung Deines unterbewussten Verstandes lenken. Prima. Während Dein bewusster Verstand sich vielleicht jetzt noch fragt, was das soll, ist Dein unbewusster Verstand eventuell schon neugierig auf die Bilder, die gleich vor dem inneren Auge erscheinen werden. Vielleicht nimmst Du noch die Geräusche hier im Raum wahr, vielleicht hast Du aber auch schon Deinen Weg gefunden, Deine Aufmerksamkeit ganz nach innen zu richten.“

Teil 2 (Fallbeispiel): Einzel-Hypnose im Spitzensport

Ein professioneller Basketball-Spieler wandte sich an mich, um seine Leistung zu verbessern. Er war Ende 20 und weit über 2 Meter groß. Er spielte sowohl in der ersten deutschen Basketball-Bundesliga, wie auch in der Nationalmannschaft seines Herkunftslandes. Da ich seine Muttersprache nicht konnte und er kaum deutsch sprach, fand das gesamte Coaching in englischer Sprache und in meinen Praxis-Räumen statt.

Im Rahmen der Zielklärung schilderte er, dass sein Ziel sei, seine Trefferquote bei Freiwürfen zu steigern. Von der Physis und von der Technik her war er ein voll ausgereifter Spieler und daher wollte er jetzt dezidiert an der „mentalen Komponente“ seiner Leistungsfähigkeit arbeiten. Seine Freiwurfquote lag vor Beginn unserer Zusammenarbeit bei 39 %. Da die gegnerischen Mannschaften diese Schwächte von ihm kannten, schickten sie ihn in spielentscheidenden Situationen durch Fouls beim Wurfversuch besonders gerne an die Linie, wodurch schon einige enorm wichtige Partien verloren gegangen waren.

Er willigte ein, das Thema mit einer hypnotherapeutischen Intervention anzugehen. Nach einer erfolgreichen Trance-Induktion arbeitete ich dann wie folgt mit ihm in einer dialogischen Trance:

Coach: „Beschreibe mir, was in Dir vorgeht, wenn Du bei einem eigenen Wurf-Versuch in der Crunch-Time (Anmerkung: das ist die entscheidende Phase in einem Basketball-Spiel) von einem Gegenspieler gefoult wirst?“

Klient: „Ärger! Ich spüre so eine riesige Wut!“

Coach: „Ok. Wie sieht diese Wut aus?“

Klient: „Rot. Sie sieht rot aus. In mein Gehirn wird so viel rote Flüssigkeit gepumpt, dass ich nur noch die Farbe Rot vor meinen Augen sehen kann.“

Coach: „Ok. Und wie geht es jetzt weiter? Du bekommst ja nach dem Foul an Dir zwei Freiwürfe...“

Klient: „Ja, ich gehe an die Freiwurf-Linie. Ich atme stark. Rot vor meinen Augen. Ich prelle, ziele, werfe. Daneben!“

Coach: „Was müsste anders sein, damit der Ball reingeht?“

Klient: „Blau! Ich brauche Kühlung! Ich müsste blau in mein Gehirn pumpen aus einer Kammer mit blauer Kühlflüssigkeit!“

Coach: „Klasse! Mache das jetzt gleich mal! Pumpe gleich mal blau in Dein Gehirn. Was verändert sich dadurch?“

Klient: „Sehr gut. Das Rot durchmischt sich mit dem Blau und wird dadurch gekühlt. Ja, das Rot geht weg. Jetzt kann ich wieder den Ring des Korbes besser sehen.“

Coach: „Ok, dann mache jetzt gleich mal Deine Freiwürfe.“

Klient: „Ja, jetzt atme ich ruhiger. Ich prelle den Ball häufiger vor mir auf dem Boden auf, bevor ich werfe. Ich sehe den Ring schärfer. Und mache beide Freiwürfe rein.“

Coach: „Super, herzlichen Glückwunsch!“

Nach dieser Coaching-Sitzung verbesserte sich die Freiwurf-Quote des Klienten schlagartig und lag zum Ende der Saison bei 68 %. Er verwendete seine neue mentale Technik auch dazu, nach einem Foul die Ruhe zu bewahren und nicht den Gegenspieler per „Revanche-Foul“ zurückzufaulen. So gelang es ihm, das Spielfeld nicht mehr so häufig nach 5 persönlichen Fouls verlassen zu müssen. Entsprechend erzielte er in den verbleibenden Spielen der Saison auch signifikant mehr Punkte pro Spiel.


Der Diplom-Psychologe Dr. Martin Emrich ist Mentalcoach und Unternehmensberater. Seit dem Jahr 1996 ist er Geschäftsführer der von ihm gegründeten Firma EMRICH Consulting. Er absolvierte eine dreijährige Ausbildung in klinischer Hypnose bei der Milton Erickson Gesellschaft (MEG). Dr. Emrich wurde 2009 und 2010 mit der Auszeichnung „Top 100“ von Speakers Excellence geehrt. Im Sportbereich hat Dr. Emrich die Metzinger Bundesliga-Handballerinnen sowie die Basketball-Teams aus Ludwigsburg und Tübingen betreut. Als Autor publizierte er bereits über 50 Bücher und Zeitschriftenartikel.

Mehr Infos: https://www.emrich-consulting.de

 

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