MEIN MOMENT | Der andere Herr Löw vom DFB
  06.12.2021


In der Serie MEIN MOMENT kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 49. Folge geht es um Markus Löw, der zwar für den Deutschen Fußball-Bund arbeitet, aber mit dem langjährigen Nationaltrainer Jogi Löw nicht verwandt ist.

Markus Löws Rückblick

Fußball spielte in meinem Leben schon immer eine dominierende Rolle. Ich spielte aktiv beim SV Möhringen und beim SV Vaihingen. Mittlerweile liegt mein Spielerpass beim Bezirksligisten SV Sillenbuch, wohin es mich aufgrund meines Freundeskreises verschlagen hat. Da ich beruflich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zeitlich sehr eingespannt und viel unterwegs bin, habe ich jedoch nicht mehr regelmäßig Zeit fürs Training, so dass ich leider nicht mehr so oft mitkicken kann. Und wenn ich nicht mittrainiere, kann ich auch nicht spielen, lautet meine Einstellung, so dass ich nur noch in Ausnahmefällen zum Einsatz komme – wenn also „Not am Mann“ ist und wir sonst vielleicht keine Mannschaft zusammenbringen würden. Ich sehe mich wirklich nur als absoluten Notnagel, wenn’s personell klemmt!

Aufgewachsen bin ich in Möhringen, wo ich 2009 auch mein Abitur abgelegt habe und heute noch wohne. Anschließend studierte ich bis 2012 an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Stuttgart und legte beim Württembergischen Landessportbund (WLSB) und an dessen Landessportschule in Ostfildern-Ruit meinen Bachelor in „Sportmanagement“ ab.

Als ich 23 Jahre alt war, holten mich Jürgen Sauer, Präsident des SV Vaihingen und Stadtrat in Stuttgart, und Michaela Netzer-Voit als ersten hauptamtlichen Geschäftsführer zum SVV. Dabei handelt es sich um einen Mehrspartenverein mit 12 Abteilungen und rund 2.500 Mitgliedern. Es ist einer der größten Sportvereine in der Landeshauptstadt. 1889 als Turnverein gegründet, bietet der SV Vaihingen inzwischen neben Turnen – ergänzt um Fitness und Gesundheitssport – auch Badminton, Cheerleading, Fußball, Handball, eine Abteilung für Hörgeschädigte, Judo, Leichtathletik, Schwimmen, Tanzen, Tischtennis und Volleyball an. Der Verein verfügt auf seinem Sportgelände „Schwarzbach“ über optimale Voraussetzungen, einen großen Rasenplatz mit weitläufiger Tartan-Bahn, zwei Kunstrasenplätze und eine frisch renovierte Gymnastikhalle – alles Grundpfeiler für ein hochwertiges Sportangebot. Da ich nun quasi „befangen“ und auch für elf andere Abteilungen verantwortlich war, beendete ich meine aktive Fußballkarriere beim SVV. Die insgesamt vier Jahre und sieben Monate an der Spitze der Geschäftsstelle und meiner Tätigkeit für den Gesamtverein brachten mir viele Einblicke in die Vereinsarbeit und wertvolle Erfahrungen. In dieser Zeit, 2015/2016, machte ich zudem im Kleeblattcampus Fürth meinen Abschluss als „Staatlich geprüfter Fußballmanager“ und im „Fußballmanagement“.

Eigentlich war ich schon immer davon überzeugt, dass ich einmal in den professionellen Fußball wechseln würde, zwar nicht als Spieler, aber doch in anderer Funktion. Und so kam ich nach meiner Zeit beim SVV im Mai 2017 als Teammanager zur U-Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes. Der Stuttgarter Michael Feichtenbeiner – 1999 Cheftrainer der Stuttgarter Kickers in der Zweiten Bundesliga und mit spektakulären Pokalerfolgen gegen die Erstligisten Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld und SC Freiburg bis ins Halbfinale eingezogen (wo Werder Bremen die Endstation bedeutete) – war damals DFB-Nachwuchstrainer und für die deutsche U-15-Auswahl verantwortlich. Er gab mir den Tipp, dass in diesem Bereich eine für mich passende Stelle ausgeschrieben sei, ich bewarb mich – und erhielt einen Vertrag.

Das DFB-System war so aufgebaut, dass 20 bis 30 Honorarkräfte mit den jeweiligen Jugendauswahlteams immer drei Jahre mitgingen und für Kontinuität sorgten, ehe nach der U 17 dann wieder zu den Jüngeren gewechselt wurde. Mein Abschluss war die U-17-Europameisterschaft in Irland, doch unserem Team – Cheftrainer war Michael Feichtenbeiner – reichte nach einem 1:3 gegen Italien und einer knappen 0:1-Niederlage gegen Spanien leider ein überzeugender 3:1-Sieg über Österreich nicht fürs Weiterkommen, und wir schieden als Gruppendritter aus. Dennoch war das ein tolles Highlight und schöner Abschluss mit den Jungs (von denen mittlerweile einige schon in der 1. Bundesliga angekommen sind) sowie dem gesamten Trainer- und Staff-Team. Die zwei Jahre mit vielen gemeinsamen Reisen haben sich angefühlt wie in einer großen Familie. Dennoch war die Belastung in dieser Zeit mit zirka 150 Reisetagen im Jahr schon enorm hoch und wurde mir, ehrlich gesagt, zu viel.

Da kam mir sehr gelegen, dass in der „Stabsstelle Nationalmannschaften und Akademie“ von DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der fünf Mitarbeiter*innen angehörten, eine Position frei wurde, auf die ich mich intern bewarb. Oliver Bierhoff hat insgesamt etwa 150 Mitarbeiter*innen unter sich. Der „Inner Circle“, für den ich dann auserwählt wurde, umfasste unter anderem den Sportdirektor Horst Hrubesch und Panagiotis „Joti“ Chatzialexiou, seit Januar 2018 „Sportlicher Leiter Nationalmannschaften“ und damit verantwortlich für die Nationalmannschaften und Trainerstäbe der Frauen sowie Männer, die Talentförderung, die Leistungszentren und die Eliteschulen des Fußballs, die Abteilung Scouting & Spiel-Analyse sowie die Experten der Nationalmannschaften.

Ende 2020 sprach mich unter anderem Oliver Bierhoff an, dass im direkten Umfeld der A-Nationalmannschaft eine Stelle im Management frei werde und ob ich nicht Interesse hätte. Ich sagte ohne großes Überlegen zu, da hiermit ein Traum in Erfüllung ging. Nun bin ich bereits seit 15 Monaten in dieser Position tätig und hauptverantwortlicher und direkter Ansprechpartner für das gesamte Trainer-Team inklusive Co-Trainer, Spezialtrainer und Spielanalysten. Mein Job ist mega-interessant, und ich bin seit der Vorbereitung auf die EURO 2020 immer beim Nationalteam auch vor Ort mit dabei. Mein Büro ist in Frankfurt, derzeit bin ich jedoch meist im Homeoffice und nur einmal in der Woche in der DFB-Zentrale. Von Haustür zu Haustür brauche ich dann für eine Strecke zwar etwas mehr als zwei Stunden, aber die Zeit im Zug nutze ich, um zu arbeiten.

Mein bisher tollster Moment war im Rahmen der Europameisterschaft im vergangenen Sommer, als wir mit dem Mannschaftsbus ins Basecamp im fränkischen Herzogenaurach einfuhren. Das war ein geiles Gefühl!!! Am Firmensitz von Adidas zog die deutsche Nationalmannschaft in das eigens errichtete „EM 2020 Camp“ ein, unser eigenes Quartier, an einem Waldstück gebaut, das nach der EM natürlich nicht wieder abgerissen, sondern weiter für Mannschaften und Tagungen genutzt wurde und wird. Dort gab es dann auch immer wieder tolle Begegnungen und Gespräche, abseits des Trubels, zum Beispiel mit Manuel Neuer oder Serge Gnabry. Alles auf kollegialer und total zwangloser Ebene – das waren schon coole Momente.

Ich bin total happy in meinem Job jetzt, das ist genau mein Ding! Meine Aufgaben im Team-Management, das aus insgesamt drei Mitarbeitern besteht, sind vielfältig. Wenn sich die Nationalmannschaft trifft, besteht der komplette Tross aus 70 bis 80 Leuten. Da muss dann alles gut organisiert sein und alles funktionieren. Wir sind rund um die Uhr Ansprechpartner für den Trainer, die Spieler und alle Mitarbeiter rund um die Mannschaft. Ich finde es toll, mit solch großen Persönlichkeiten zusammenarbeiten zu dürfen. Mit Jogi Löw, mit dem ich nicht verwandt bin, war die Zusammenarbeit schon echt überragend und vertrauensvoll, und auch mit seinem Nachfolger Hansi Flick macht die Arbeit sehr viel Spaß. Der Bundestrainer engagiert sich sehr und fordert im gleichen Maße auch viel von allen anderen ein. Für intensive Gespräche mit den Nationalspielern bleibt zwar wenig Zeit, aber es kommt inzwischen schon öfter vor, dass Spieler, wie Kapitän Neuer, Joshua Kimmich, Serge Gnabry oder Robin Gosens, auch mal im Orga-Büro vorbeikommen oder sich für ein Schwätzchen zu uns setzen. Die Jungs sind einfach sehr aufgeschlossen und nahbar, daher macht es auch so großen Spaß!


Markus Löw ist in Stuttgart geboren und aufgewachsen, hat in Möhringen sein Abitur abgelegt, und sein Spielerpass als Fußballer liegt immer noch beim SV Sillenbuch. Dorthin hat sich sein Freundeskreis verlagert, aber weil er nur wenig Zeit fürs Training hat, spielt er nicht so oft mit. Seine Tätigkeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), meist in der Zentrale in Frankfurt oder auf Länderspielreisen, lässt ihm nicht die Zeit, regelmäßig mit seiner Mannschaft zu trainieren – „und wenn ich nicht trainiere, kann ich auch nicht spielen“, ist sein Credo. Der 32-Jährige – seine Ehefrau ist Englisch- und Französisch-Lehrerin und stammt aus dem Karlsruher Raum – „wollte schon immer in den professionellen Fußball wechseln“ und zählt seit eineinhalb Jahren zum engsten Kreis derer, die rund um die Fußball-Nationalmannschaft im Einsatz sind. Zunächst in den verschiedenen DFB-Nachwuchsmannschaften eingesetzt, wurde damals eine Stelle im Management der A-Nationalmannschaft frei, auf die er sich auf Anregung von DFB-Direktor Oliver Bierhoff intern bewarb. Er bekam den Posten und ist seitdem hauptverantwortlicher und direkter Ansprechpartner für das gesamte Trainer-Team. Sein Vertrag mit dem DFB ist mittlerweile unbefristet, „mein Job mega-interessant und herausfordernd!“ Hat er einmal Zeit, läuft er als Ausgleich zum täglichen Fußball-Business gerne mit seinem Bruder Johannes oder spielt mittlerweile auch lieber ab und zu Tennis.

[Fotos: Pressefoto Baumann (2) & IMAGO /  Uwe Kraft & IMAGO / Action Pictures]