155 Ausgaben „Fechterbüttel“ auf PDF
  16.02.2016 •     Fechten


Das Institut für Sportgeschichte in Maulbronn hat die Mitgliederzeitschrift des Fechtclubs TSF Ditzingen digitalisiert.

TSFEin schlichter Raum, die lichtdichten Vorhänge sind zugezogen, vier mit Tuch bespannte Scheinwerfer tauchen die Apparatur in der Mitte des Raumes in ein gleichmäßiges kaltweißes Licht. Unter einer Glasplatte liegt dort, aufgeschlagen, ein beinahe faustdickes Buch mit grünem Leineneinband. Ein rund einen Meter darüber montierter Fotoapparat hat das Buch genau im Visier. Es enthält einen Teil der Geschichte des Fechtclubs TSF Ditzingen, die das Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg (IfSG) im Januar 2016 digitalisiert hat.

Per Tastendruck an einem Laptop löst Markus Friedrich die Kamera aus, wieder ist eine Doppelseite gespeichert. Mit einem Hebel löst er Glasplatte von dem Buch, seine Hände stecken in weißen Stoffhandschuhen, damit nirgends Fingerabdrücke zurückbleiben. Der Archivar des IfSG blättert einmal um, senkt den Hebel, wodurch die Glasplatte die nächsten beiden Seiten des Buches plan drückt. Dann löst er erneut die Kamera aus, die nächste Doppelseite. In diesem Fall ist es nur eine Demonstration fürs Foto. In Wirklichkeit hat ein Mitarbeiter die Arbeit längst erledigt. Gerade einmal einen Vormittag habe es gebraucht, sämtliche Ausgaben des „Fechterbüttel“ von 1975 bis 1999 zu digitalisieren. Knapp 1500 A4-Seiten in zwei gebundenen Bänden.

Der „Fechterbüttel“ ist die Mitgliederzeitschrift des Fechtclubs TSF Ditzingen wenige Kilometer nordwestlich von Stuttgart. Gegründet wurde die Fechtabteilung der Turn- und Sportfreunde , und genauso lange gibt es auch die Mitgliederzeitschrift „Fechterbüttel“, seinerzeit erfunden von Fechtclub-Gründer Helmut Früh. Zu Beginn erschienen noch bis zu acht Ausgaben jährlich mit wenigen auf Schreibmaschine getippten Seiten, die den Charakter eines Newsletters hatten. Mit der Zeit wurden die Erscheinungsintervalle größer, dafür die einzelnen Nummern dicker. Klebesatz ersetzte vielfach die Schreibmaschine. Abkopierte Zeitungsausschnitte kamen in den Fechterbütteln ebenso vor, wie eigene Fotos, Zeichnungen. Aber auch eigene Turnierberichte der Fechter, mitunter sogar in gereimter Form, finden sich insbesondere in den Ausgaben der 1990er Jahre. Sporadisch ist eine Reparaturanleitung für Waffen oder Körperkabel zu finden oder ein Backrezept. Natürlich sind die Erfolge von Ingo Grausam enthalten, wenngleich das Ditzinger Eigengewächs zu seinen besten Zeiten für den Heidenheimer SB antrat. Die drei Deutschlandpokal-Triumphe im Herrendegen sind dabei, der zweimalige Einzug des Herrendegenteams ins Halbfinale der Deutschen Mannschaftsmeisterschaften der Aktiven, die DM-, WM- und EM-Medaillen der Senioren, insbesondere von Bruno Kachur. Und im vergangenen Jahr kam mit Samuel Unterhauser sogar ein aus Ditzingen stammender U20-Weltmeister im Fechterbüttel vor.

Die Ausgaben von 1975 bis 1999 hat der Fechtclub TSF Ditzingen seinerzeit zum 25-jährigen Bestehen in der Buchbinderei der JVA Heimsheim zu den erwähnten zwei Bänden zusammenfassen lassen, die Ausgaben seit 2000 waren bis zuletzt in einem Leitzordner abgeheftet und zudem bereits als PDF-Dateien gespeichert. Als die Fechtabteilung 2015 ihr 40-jähriges Bestehen feierte, entstand der Wunsch, alle Fechterbüttel-Ausgaben auch in digitaler Form zu haben; denn von etlichen dürfte es kein weiteres Exemplar mehr geben als jenes in den beiden dicken Bänden. Und für diese Aufgabe war das IfSG genau die richtige Adresse.

Archivierungsprojekte wie jenes für die Ditzinger Fechter gehören zum Kerngeschäft des Instituts, das sich als Gedächtnis des Sports in Baden-Württemberg versteht. Schon 2010 beschäftigte sich das IfSG mit dem Fechtsport, erstellte eine 91-seitige Dokumentation über den Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim, die als PDF-Datei auf der Webseite des Instituts (www.ifsg-bw.de) verfügbar ist. Als die zentrale Dokumentationsstelle des Sports in Baden-Württemberg beherbergt das IfSG eine ständig wachsende Bibliothek mit sportspezifischen Bänden, Nachschlagewerken, Vereins- und Ortschroniken sowie eine stattliche Sammlung von Mikrofilmen, auf denen Dokumente von Sportverbänden und Vereinen gesichert sind. Die Mikroverfilmung und Digitalisierung ist ein Angebot, das die Verbände und Vereine kostenlos nutzen können. „Die Original-Dokumente verbleiben in der Regel vor Ort“, erklärt Ehlers. Das IfSG gibt eine wissenschaftliche und kulturgeschichtliche Schriftenreihe heraus, veranstaltet Ausstellungen und wissenschaftliche Symposien, so auch am 18. Mai 2016, wenn es in Calw-Hirsau bei einer Tagung um 200 Jahre Turnen in Württemberg geht. Darüber hinaus bietet das Institut Beratung und regelmäßig Schulungen für Vereins- und Verbandsvertreter an, etwa wenn es darum geht, ein Festbuch zu einem Jubiläum zusammenzustellen.

Gegründet wurde das IfSG im Oktober 1993 in Ostfildern-Nellingen, seit 1994 hat es seinen Sitz in Maulbronn. Eine pragmatische Standortwahl mit Symbolcharakter. „Weil hier ein dem IfSG eng verbundener Bürgermeister rumrannte, und weil hier Räume vorhanden waren, in denen man anfangen konnte“, sagte Andreas Felchle, als das Institut 2013 sein 20-jähriges Bestehen feierte. Jener Bürgermeister, das ist Felchle selbst, der 1993 zu den Initiatoren des IfSG gehörte und ein Jahr zuvor auf den Chefsessel im Maulbronner Rathaus gewählt worden war. Symbolcharakter hat der Standort Maulbronn, weil die alte württembergische Oberamtsstadt seit der Landkreisreform 1973 im Regierungsbezirk Nordbaden liegt. In der Stadt gibt es sowohl Sportvereine, die badischen, als auch solche, die württembergischen Verbänden angeschlossen sind. Im Fall des TSV Maulbronn zieht sich die Teilung sogar quer durch den Verein: Während die Leichtathleten und Turner nach wie vor württembergisch antreten, kicken die Fußballer des TSV seit einigen Jahren im badischen Spielbetrieb.

Konstituiert habe sich das IfSG 1993 ein wenig anders als zunächst gedacht. „Wir hatten uns etwas institutionelleres vorgestellt“, räumt Andreas Felchle ein, der seit der Gründung als Schatzmeister fungiert. Die ursprüngliche Idee sei gewesen, das Institut etwa dem Ministerium für Kultus und Sport oder dem Sport-Institut der Universität Tübingen anzugliedern. Beides aus unterschiedlichen Gründen gescheitert, so Felchle, der hauptamtlich noch immer Bürgermeister in Maulbronn ist, einige Jahre zudem Präsdent des Schwimmverbandes Württemberg, danach Vizepräsident des Deutschen Schwimmverbandes war. Gegründet wurde das IfSG stattdessen als eingetragener Verein, der inzwischen rund 100 Mitglieder hat, darunter auch der Württembergische Fechterbund.

„Etliche Sportfachverbände und auch Sportkreise sind unter den Mitgliedern, aber auch einzelne Sportvereine sowie Persönlichkeiten aus Sport und Politik“, erklärt Martin Ehlers. Der Maulbronner Stadtarchivar fungiert zugleich als Geschäftsführer des IfSG, ist für diese Tätigkeit gegen Entgelt sechs Stunden pro Woche freigestellt, was dem IfSG die Kosten für einen eigenen Angestellten erspart. „In der Praxis sind es eher 38 Stunden plus sechs“, verrät Ehlers augenzwinkernd, dessen Büro zwischen alten Balken und Pfetten im Dachgeschoss des Rathauses liegt. Auch dies ein überaus geschichtsträchtiger Ort, das Gebäude ist Teil der mehr als 1000 Jahre alten Klosteranlage, die 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben wurde. Johannes Kepler, Friedrich Hölderlin, Wilhelm Hauff und Hermann Hesse gehörten zu den Absolventen des nach der Reformation im vormaligen Kloster gegründeten evangelischen Internats, das bis heute als altsprachliches Gymnasium existiert.

Beim Institut für Sportgeschichte in Maulbronn lagert mittlerweile das Archiv des Württembergischen Landessportbundes (WLSB). „Dessen Dokumente lagen vorher eher gerümpelhaft in der Sportschule Tailfingen“, erzählt Andreas Felchle. Die Archive der beiden badischen Sportbünde und des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSV) sind in den staatlichen Archiven in Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart untergebracht. „So haben die Verbände ihre Dokumente in der Nähe und leichter greifbar“, begründet Martin Ehlers diese geografische Verteilung. Für seine Arbeit steht dem Institut für Sportgeschichte ein Jahresetat von rund 73.000 Euro zur Verfügung, davon kommen 28.000 Euro durch Mitgliedsbeiträge zusammen, 5000 Euro steuert der LSV bei, weitere 40.000 Euro schießt das Ministerium für Kultus und Sport zu. Und über Spenden freut sich das IfSG freilich auch.

Der Fechtclub TSF Ditzingen hat nun alle 155 Fechterbüttel-Ausgaben seit 1975 auch in digitaler Form als PDF-Dateien. Obwohl aktuelle Informationen längst per E-Mail an die Mitglieder verteilt werden, die TSF-Fechter eine Webseite und eine Facebookseite haben, gibt es den Fechterbüttel weiterhin. Seit 2002 stellt Steffen-Michael Eigner das Heft zusammen. In der Regel erscheinen zwei Ausgaben pro Jahr, die komplett am PC entstehen. Modernisiert wurde die Verteilung: Der Postversand hat ausgedient, stattdessen wird das Magazin als PDF-Datei an die Mitglieder versandt. Auf Papier kann der Fechterbüttel aber im Training mitgenommen werden.

Text: Steffen-Michael Eigner