Lena Backhaus: Erfolg durch mentale Stärke – aus dem Profisport lernen
Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben in 63 Spielen in Folge keine einzige Niederlage hinnehmen müssen. Jedes Spiel konnte entweder gewonnen werden oder es wurde unentschieden gespielt. Wie fühlen Sie sich da als Spieler:in, wie agiert der/die Trainer:in in solch einer Situation? Das Ziel, international in der Champions League unter die „acht Besten der Welt“ zu kommen, rückt immer näher, der Druck ebenfalls.
Nun stellen Sie sich vor, Sie erleben ganz plötzlich die erste, zweite und dritte internationale Niederlage in Folge. Aufgrund von Verletzungen muss der/die Trainer:in Veränderungen in der Aufstellung vornehmen und die Spieler:innen teilweise auf anderen Positionen spielen lassen. In der Champions League kann von acht weiteren Spielen nur noch eins gewonnen werden. Das große Ziel, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren, wird bedauerlicherweise nicht erreicht.
Was glauben Sie, welche Themen in der Kabine besprochen werden? Welche Emotionen gibt es? Wie geht es den Spieler:innen nach den Verlusten? Wie lange dauert die Verarbeitung der Niederlagen? Wie kann mit diesen Rückschlägenumgegangen werden im Team, aber auch jeder/jede Spieler:in für sich?
Unabhängig vom physischen Zustand sowie den sportlichen Fähigkeiten der Spieler:innen ist für den weiteren Erfolg der Mannschaft die mentale Einstellung von großer Bedeutung. Erfreulicherweise kann diese Fähigkeit genauso wie Kondition, Technik oder koordinative Fähigkeiten trainiert werden. Ein Beispiel, das auch in den beruflichen Alltag übertragen werden kann.
SPORT UND UNTERNEHMEN
Sport und Unternehmen – zwei Bereiche, die scheinbar gegensätzlich sind und sich doch am Ende gar nicht so unterscheiden. In der Tat werden Managementtechniken zunehmend von Managementtechniken aus der Sportwelt inspiriert. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen einem Unternehmer:in und einem/einer Trainer:in eines Spitzenteams. Auf der einen Seite möchte der Club Medaillen oder Pokale gewinnen, auf der anderen Seite versucht ein Unternehmen, Kunden Marktanteile oder Ausschreibungen zu gewinnen. Ob Sport oder Unternehmen, das Ziel ist immer identisch: in seinem Bereich erfolgreich zu sein.
Im Bereich der mentalen Qualität können viele Fähigkeiten vermittelt werden, die auch in anderen Bereichen des Lebens von Vorteil sind. Ich möchte hier ein paar Beispiele nennen:
- Disziplin: Sport erfordert regelmäßiges Training und Konzentration auf Ziele, was Disziplin und Selbstkontrolle erfordert.
- Zielsetzung: Im Sport setzen Sie sich klare Ziele und trainieren hart, um diese zu erreichen. Diese Fähigkeit zur Zielsetzung und zum Fokus kann auf andere Bereiche Ihres Lebens übertragen werden, um auch dort erfolgreich zu sein.
- Teamarbeit: Sei es der Unternehmer:in oder der/die Trainer:in – beide müssen (oftmals) ein Team leiten. Jeder muss Ziele setzen, für den Zusammenhalt des Teams sorgen und analysieren. Beide haben also ähnliche Aufgaben. Durch die Erfahrung im Mannschaftssport können Sie lernen, effektiv mit anderen zu kommunizieren, zusammenzuarbeiten und Synergien zu schaffen. Profiteamsport ist ein sehr gutes Vorbild in Bezug auf Integrierung von neuen Spieler:innen (onboarding) und Erreichen eines gemeinsamen Ziels durch diverse Teams.
- Durchhaltevermögen: Im Sport aber auch im Business werden Sie mit Herausforderungen konfrontiert. Durch regelmäßiges Training im Sport lernen wir Hindernisse zu überwinden und Ziele zu erreichen.
- Konzentration: Im Sport müssen Sie sich regelmäßig auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. Diese Fähigkeit zur Konzentration und Aufmerksamkeit kann Ihnen auch im Geschäftsleben helfen, sich auf wichtige Aufgaben zu konzentrieren und produktiver zu sein.
- Selbstvertrauen: Wenn Sie erfolgreich im Sport sind, kann dies Ihr Selbstvertrauen steigern. Dies kann auch im Beruf helfen, selbstbewusster aufzutreten und bessere Ergebnisse zu erzielen.
Wenn wir das Beispiel von oben näher betrachten, möchte ich vor allem auf die zweite Phase eingehen und auf das Thema „Resilienz“: Egal ob im Sport oder im Business, jeder hat hin und wieder Niederlagen, mit denen man umgehen muss. Das Gute an Niederlagen ist, man lernt am meisten. Man reflektiert die Situation im besten Fall, lernt aus den Fehlern und richtet sich neu aus. In der Welt des Sports sind Sieg und Niederlagen Teil des Systems. Kein/keine Sportler:in und keine Mannschaft, kann eine hundertprozentige Erfolgsquote aufweisen, und das ist ganz normal. Der/die Sportler:in muss es schaffen, diese Niederlage in eine Stärke umzuwandeln, um beim nächsten Mal noch besser zu sein. Dasselbe gilt für einen/eine Manager:in und seine/ihre Mitarbeiter:innen.
ANALYSE DER NIEDERLAGE
Zu diesem Prozess gehört die Analyse. Es ist wichtig die Gegner:innen und Spieler:innen als Vorbereitung vor den Spielen sowie bei der Nachbesprechung von Spielen zu analysieren. In der Welt des Sports ist das eine professionelle Vorgehensweise vor und nach einem Spiel, in der Welt des Unternehmens ist es z.B. vor der Einführung eines Produkts und nach seiner Freigabe.
Positives hervorheben: Sowohl im Sport als auch in der Wirtschaft ist es wichtig, dass der/die Manager:in oder Trainer:in seinem/ihrem Team die positiven Aspekte eines Projekts mitteilt. Dies zeigt, dass der/die Manager:in die Bemühungen bemerkt und sein/ihr Team ermutigt, weiterhin das Beste zu geben. Es ist eine Form der Anerkennung und Ermutigung.
Verbesserungen präsentieren: Es ist sehr wichtig, sich anzusehen, was das Team verbessern kann, um beim nächsten Mal noch besser zu sein und die gesetzten Ziele zu erreichen. Sie sollten also gemeinsam darüber sprechen, was weniger gut gelaufen ist und vor allem, wie man es besser machen kann, um dann direkt beim nächsten Üben in die Umsetzung zu gehen.
ZIELE SETZEN
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, sich nach der Analyse auf die „neuen“ Ziele zu fokussieren, um wieder aktiv in die Gestaltung zu gehen. Die Mitarbeiter:innen oder Spieler:innen erlangen dadurch neue Motivation und der Fokus liegt in der Zukunft. Letztlich kann nur die Handlung für die Zukunft beeinflusst werden. Ziele eines Teams in Unternehmen und auch im Sport zu definieren sind Voraussetzung, um den größten Erfolg zu erreichen. Klar und präzise Ziele festzusetzen sind daher notwendig, um auf das Erreichen der Ziele hinzuarbeiten und motiviert zu bleiben. Je schneller wir das nach einer Niederlage umsetzen, desto besser.
Kurz gesagt: Aus jedem Misserfolg lässt sich etwas lernen. Mit diesem Teamgeist wird das Unternehmen in der Lage sein, seine Ziele zu erreichen. Im konkreten Beispiel konnte sich der Club nach dem Ausscheiden auf internationaler Ebene auf die nationalen Titel konzentrieren und in der Folge sowohl den DHB-Pokal als auch die Deutsche Meisterschaft gewinnen.
Lena Backhaus interessiert sich seit vielen Jahren für die Psychologie des Sports. Sie ist Diplom-Betriebswirtin sowie Zertifizierter „(Sport-) Mentalcoach“ und war einige Jahre lang Geschäftsführerin der Frauenhandball-Profimannschaft der SG BBM Bietigheim. Durch ihren beruflichen Werdegang kennt sie die unterschiedlichen Sichtweisen von Unternehmen, Sportlern:innen und Sportclubs. Als ehemalige Leistungsschwimmerin hat sie die Liebe zum Sport bis heute geprägt und sie profitiert sehr von den gewonnen Eigenschaften als Sportlerin. [Fotos: Pressefoto Baumann]
Mehr Infos: https://www.regio-tv.de/mediathek/video/frauen-in-fuehrungspositionen/